Die Gärten des Mondes
dem Balkon zuwandte, sah er, dass Lady Simtal neben Lim getreten war.
Kein Wunder, dass es ihr nicht an Liebhabern mangelt, dachte Rallick, während er sie aus zusammengekniffenen Augen musterte. Ihr schwarzes, offenes Haar strömte glatt und glänzend den Rücken hinab. Sie trug ein hauchdünnes Nachtgewand, das die Rundungen ihres Körpers durch die Lampen im Raum hinter ihr jedoch mehr enthüllte als verbarg.
Als die beiden auf dem Balkon zu sprechen begannen, drangen ihre Worte bis zu jener Stelle, wo Rallick im Dunkel verborgen lag.
»Aber warum der Alchemist?«, fragte Lady Simtal. Anscheinend nahm sie ein Gespräch wieder auf, das schon drinnen begonnen hatte. »Ein fetter alter Mann, der nach Schwefel stinkt und nicht gerade den Eindruck erweckt, als würde er politische Macht besitzen. Er ist doch noch nicht einmal im Rat, oder?«
Lim lachte leise. »Eure Naivität ist bezaubernd, Lady«
Lady Simtal trat einen Schritt vom Geländer zurück und verschränkte die Arme. »Dann klärt mich bitte auf!« Ihre Worte klangen scharf, nach mühsam gezügeltem Zorn.
Lim zuckte die Schultern. »Wir haben nur Vermutungen, Lady.
Aber der weise Wolf folgt jeder Spur, wie schwach sie auch sein mag. Der Alchemist will, dass die Leute genauso von ihm denken wie Ihr. Als wäre er ein tattriger alter Narr.« Lim machte eine kurze Pause; er schien nachzudenken. Vielleicht wog er im Stillen ab, wie viel er ihr verraten durfte. »Wir verfügen über Quellen unter den Magiern«, fuhr er vorsichtig fort. »Sie haben uns etwas mitgeteilt, das von enormer Bedeutung ist. Viele Magier in dieser Stadt fürchten den Alchemisten, und sie haben ihm einen Titel gegeben - das allein deutet schon auf irgendeine Art von geheimem Zirkel hin. Und eine Versammlung von Zauberern, werte Lady, ist eine ernste Angelegenheit.«
Lady Simtal war wieder an die Seite des Ratsherrn getreten. Beide lehnten sich jetzt auf die Brüstung und blickten in den Garten unter ihnen. Nachdem sie eine Zeit lang geschwiegen hatte, fragte die Frau: »Hat er Verbindungen zur Ratsversammlung?«
»Falls ja, dann sind die Hinweise darauf gut verborgen.« Lim grinste flüchtig. »Und wenn er keine hat, dann könnte sich das ändern - und zwar noch in dieser Nacht.«
Politik. Rallick stieß ein fast lautloses Schnauben aus. Und Macht. Die Schlampe macht für die Ratsmitglieder die Beine breit, bietet etwas an, das nur wenige ablehnen können. Rallicks Hände zitterten. Er würde noch heute Nacht jemanden töten. Es gab keinen Kontrakt; die Gilde hatte damit nichts zu tun. Diese Rache war etwas Persönliches. Lady Simtal versammelte Macht um sich, schirmte sich ab, und Rallick glaubte auch zu wissen, warum. Die Geister des Verrats wollten sie nicht in Ruhe lassen.
Hab Geduld, ermahnte er sich, als er zielte. Die letzten beiden Jahre war Lady Simtals Leben unbeschwert verlaufen; die Reichtümer, die sie gestohlen hatte, hatten ihre Gier nur noch mehr entfacht, und das Ansehen als alleinige Eigentümerin des Herrenhauses hatte viel dazu beigetragen, die Angeln ihrer Schlafzimmertür zu schmieren. Das Verbrechen, das sie begangen hatte, hatte nicht Rallick zum Ziel gehabt, doch im Gegensatz zu ihrem Opfer hinderte ihn kein Stolz daran, die Rache zu vollziehen.
Geduld, wiederholte Rallick, und seine Lippen formten lautlos das Wort, während er über den Lauf der Armbrust hinweg zielte. Eine Eigenschaft, die durch das Ergebnis ihren Wert erhielt, und dieses Ergebnis war nur noch wenige Augenblicke entfernt.
»Hübscher Hund«, meinte Ratsherr Orr, als er Roald seinen Umhang reichte.
Baruk konnte als Einziger im Zimmer die Aura der Illusion erkennen, die den schwarzen Jagdhund auf dem Kaminvorleger umgab. Der Alchemist lächelte und wies auf einen Sessel. »Nehmt doch bitte Platz, Ratsherr.«
»Ich möchte mich dafür entschuldigen, Euch noch so spät am Abend zu stören«, sagte Orr, während er sich in den plüschbezogenen Sessel sinken ließ. Baruk setzte sich ihm gegenüber, während Scharteke zwischen ihnen hockte. »Man sagt«, fuhr Orr fort, »dass Alchemie am besten in tiefster Dunkelheit gedeiht.«
»Deshalb seid Ihr davon ausgegangen, dass ich noch wach sein müsste«, erwiderte Baruk. »Nun, Ihr hattet Recht, Ratsherr. Also, was kann ich für Euch tun?«
Orr beugte sich vor und tätschelte Scharteke den Kopf.
Baruk musste wegschauen, sonst hätte er laut herausgelacht.
»Die Ratsversammlung wählt in zwei Tagen«, sagte Orr. »Eine Proklamation
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