Die galante Entführung
Sherry!«
Daraufhin entfloh sie und beachtete sein erbittertes Leugnen aller Gallsüchtigkeit nicht.
»Vorsicht, James!« sagte Abby boshaft. »Du wirst in der Tinte sitzen, wenn du Selina in starke Krämpfe versetzt!«
Er warf ihr einen bösen Blick zu. »Erspare mir weitere Leichtfertigkeiten, Abigail! Ich werde bis nach dem Mittagimbiß nichts mehr sagen.«
»Du wirst mir überhaupt nichts mehr sagen«, antwortete Abby. »Du hast ohnehin schon zuviel gesagt. Du magst es vielleicht nicht bemerkt haben, aber vor einer halben Stunde ist die Sonne herausgekommen. Nach dem Essen, lieber James, werde ich Fanny auf eine Ausfahrt mitnehmen.«
Mit diesen, von einem äußerst süßen Lächeln begleiteten Worten ging sie hinaus, um Fanny von dem ihr bevorstehenden Genuß zu unterrichten.
Auch Fanny litt an Erregung. Sie wandte ihrer Tante ein ängstliches, mißtrauisches Gesicht zu und sagte: »Wie lange beabsichtigt mein Onkel hierzubleiben? Ich will ihn nicht sehen!«
»Keine Angst, Liebes!« sagte Abby heiter. »Dein Onkel ist genauso abgeneigt, dich zu sehen, wie du ihn. Ich sagte ihm, du seist noch immer ansteckend.«
Fanny lachte spontan auf. »O Abby! Was für ein Schwindel!«
»Ja, er liegt mir schwer auf dem Gewissen, aber es kommt mir auf ein, zwei Lügen nicht an, um dich vor dem zu retten, was mir selbst unerträglich ist. Grimston wird dir ein Tablett heraufbringen. Ich werde anspannen lassen.«
Aber schließlich war es nicht Abby, die Fanny zu einer Ausfahrt mitnahm, sondern Lavinia Grayshott. Gerade als Abby ihren Platz neben Fanny im Landauer einnehmen wollte, kam Lavinia herbeigelaufen und rief atemlos: »Oh, großartig! Endlich Ausgang! Jetzt wird es dir bald besser gehen! Oh, Miss Abby, Verzeihung! – How do you do? Ich wollte Fanny gerade nur dieses Buch bringen! Oh, und Fanny, gib acht, wenn du es öffnest! Es ist ein Akrostichon von Oliver drin!«
Abby sah, wie Fanny aufstrahlte, und erkannte, daß Fanny Lavinias Gesellschaft der ihren vorziehen würde. Es versetzte ihr einen winzigen Stich, aber sie zögerte nicht, mit einem Lächeln zu Lavinia zu sagen: »Warum fährst nicht du statt mir mit Fanny? Möchtest du?«
Die Antwort war in Lavinias Gesicht zu lesen. »Oh -! Aber Sie, Ma’am? Wollen denn nicht Sie mit ihr fahren?«
»Nicht im geringsten!« sagte Abby. »Ich habe tausenderlei zu tun und wäre froh, wenn ich Fanny los wäre. Der Wagen wird dich heimbringen. Wenn also Martha nichts dagegen hat, übergebe ich Fanny deiner Obhut.«
Martha, die sich in Lavinias Kielwasser langsamer genähert hatte, stimmte dem Plan bereitwillig zu. Also sprang Lavinia in die Kutsche. Bevor sie noch außer Sicht waren, sah Abby, wie die beiden die Köpfe zusammensteckten, und erriet, daß sie einander bereits allerhand anvertrauten. Sie unterdrückte einen Seufzer, als sie sich ins Haus zurückwandte. Zwischen ihr und Fanny bestand eine Spannung, denn Fanny wußte, daß Abby Stacy Calverleigh feindlich gesinnt war. Nun, vielleicht würde sie sich Lavinia gegenüber aussprechen und sich danach besser fühlen.
16
Dem Rat Selinas verspätet Folge leistend, zog sich Abby in ihr Schlafzimmer zurück. Entgegen ihrer Erwartung schlief sie fast sofort ein und schlummerte noch, als James das Haus verließ. Als sie erwachte, war es fast fünf Uhr, und im Haus war es sehr still. Sie begegnete Mrs. Grimstone auf dem Treppenabsatz und erfuhr von ihr, daß Miss Fanny im Salon sei und sich anscheinend trotz ihrer Ausfahrt nicht schlechter fühlte, und daß Miss Selina hinaufgegangen war, um sich auszuruhen, sowie Mr. James gegangen war. Diese Worte hatten einen düsteren Beiklang, aber da ihnen keinerlei Erwähnung von Krämpfen oder Herzklopfen folgte und keine beunruhigenden Geräusche aus Selinas Zimmer zu vernehmen waren, hoffte Abby, daß dieser Tonfall durch Mrs. Grimstons Abneigung gegen James verursacht war. Sie ging die Treppe hinunter und traf Fanny mit gesenktem Kopf über dem Roman an, den Lavinia ihr geschenkt hatte. Als Abby ins Zimmer kam, blickte sie auf, und es fiel Abby sofort auf, daß sie blaß und ihr flüchtiges Lächeln erzwungen war.
»Nicht müde, mein Liebling?« fragte sie.
»Nein, danke. Nein, überhaupt nicht. Ich lese das Buch, das Lavvy mir mitgebracht hat. Es ist eine äußerst aufregende Geschichte. Ich kann einfach nicht damit aufhören!«
Abby, die sich mit ihrer Stickerei beschäftigte und dazwischen heimlich ihre Nichte beobachtete, schien es nicht, daß das Buch Fanny
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