Die galante Entführung
haben«, bemerkte er.
»Nicht, als ich noch ein junges Mädchen war. Ich habe mich ständig gegen die mir auferlegten Einschränkungen aufgelehnt, und oh, wie sehr haßte ich das Wort Anstand! Deshalb wünschte ich mir ja immer, ein Mann zu sein: damit ich dem hätte entkommen können. Wissen Sie, Mädchen können das nicht. Wir sind ständig gefesselt – von Zäunen umgeben – «
» In Kemenaten, an den Wiegen festgebunden… « ergänzte er und fügte hochtrabend hinzu; »Sie sehen, auch ich bin ein Bücherwurm.«
Sie mußte herzlich lachen. »Das merke ich! Und genauso war es mit uns Mädchen in unserer Familie.«
»War? Es ist noch immer so.«
Sie wandte erschrocken den Kopf. »Nein! Was können Sie wohl damit meinen?«
Er deutete mit dem Kopf in die Richtung der vier jüngeren Mitglieder der Gesellschaft, die vorausritten. »Fanny, natürlich. Binden Sie sie nicht in der Kemenate, an die Wiege fest?«
»Ganz und gar nicht!« sagte sie hitzig. »Sie genießt viel, viel mehr Freiheit, als ich je hatte!« Eine spöttisch erhobene Augenbraue ließ ihr das Blut in die Wangen schießen. Sie stammelte: »Das ist wahr! Sie -Sie denken, daß ich ihr nicht erlaube, irgendwohin ohne mich zu gehen, aber das stimmt nicht! Ich habe sie, bis Ihr gräßlicher Neffe nach Bath kam, auf solchen Ausflügen wie dem hier nie begleitet – und wäre er nicht in Frage gestanden und hätte der junge Grayshott sie eingeladen, mit ihm zu reiten, hätte sie das mit meinem Einverständnis tun können!« Sie schwieg; nach einigem Überlegen sagte sie freimütig: »Nein, nicht allein. Ich persönlich hätte keine Gewissensbisse, aber wenn es sie betrifft, muß ich achtgeben, daß sie nicht sämtliche Zwischenträgerinnen in Bath mit Nahrung für Klatsch versorgt. Wissen Sie, mein Bruder hat sie meiner Hut anvertraut, und für wie unsinnig ich auch viele Konventionen halten mag, die uns umhegen, muß ich Fanny um ihrer selbst willen zwingen, sich an sie zu halten. Bitte, versuchen Sie es doch zu verstehen! Was ich mir in meinem Alter erlauben kann, darf sie knapp vor ihrem Debüt nicht!«
»Das arme Mädchen!« sagte er leichthin. »Wie vielen unsinnigen Konventionen sind denn Sie zu spotten bereit?«
»Oh, sehr vielen, wenn ich nur mich selbst in Betracht zu ziehen habe!«
»Das wollen wir auf die Probe stellen. Werden Sie mit mir am Sonnabend ins Theater gehen?«
Sie zögerte überrascht und zweifelnd. Nach einem Augenblick sagte sie: »Laden Sie mich als eine Dame Ihrer Gesellschaft ein, Sir?«
»Guter Gott, nein! Ich habe keine Gesellschaft.«
»Oh!« Wieder verfiel sie in Schweigen. »Wenn ich recht verstehe, gedenken Sie auch Fanny einzuladen?« fragte sie schließlich tastend.
»Nein, Sie verstehen nicht recht«, erwiderte er. »Sie wissen sehr gut, daß Fanny mit den Grayshotts zu Mrs. Favershams Walzerabend verabredet ist. Ich möchte gern wissen, ob Sie es ihr wohl erlauben werden?«
»Aber nein, wirklich? Nun, wenn Sie mich für so – so muffig halten, dann staune ich, daß Sie annehmen, ich ginge allein mit Ihnen ins Theater. In den Gesellschaftsräumen hier wird Walzer nicht getanzt, aber Bath ist ein sehr altmodischer Ort, und in London werden Walzer und auch Quadrillen sehr viel getanzt. Ich bin sehr froh, daß Fanny die Gelegenheit hat, es noch vor ihrem Debüt im Frühling zu lernen. Aber wenn es dazu kommt, ins Theater zu gehen – « Sie schwieg und runzelte nachdenklich die Stirn.
Er wartete und betrachtete ihr Profil mit einem spöttischen Lächeln, bis sie in einem plötzlichen Einfall sagte: »Falls Sie meine Schwester ebenfalls einladen. Das würde es vollkommen einwandfrei machen!«
»Zweifellos!«
Wider Willen mußte sie lachen. »Ja, ich weiß, aber… Nun, es ist ganz albern, aber es ist ein Unterschied – oder man meint, es sei einer –, ob man eine Dame zu – oh, zu einem Konzert in den Gesellschaftsräumen begleitet oder aber ins Theater! Ich glaube, das kommt daher, weil Konzerte, die auf Subskriptionsbasis abgehalten werden, privater sind. Und dann sitzt man auch nicht getrennt und man mischt sich mit – «
»Oh, wenn das alles ist, dann können wir im Parkett sitzen!«
»- mit seinen Freunden!« beendete Abby streng ihren Satz.
»Und am Ende des ersten Aktes, wenn Ihr Begleiter hofft, Ihre Gesellschaft zu genießen, schnappt Sie irgendein unverschämter Kerl ihm vor der Nase weg und führt Sie zum Tee davon – genauso wie ich es getan habe, als dieses Mondkalb, das Ihnen die faden
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