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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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sagte sie mit einer Strenge, die mit dem Grübchen in ihrer Wange nicht in Einklang stand.
    »Wirklich?« Er überlegte eine Weile. »Nein, ich glaube nicht. Ich hatte drei Onkel, und keiner von ihnen interessierte sich im geringsten für mich. Warum sollten sie schließlich auch?«
    »Bestimmt aus keinem Grund. Versuchen Sie mich – wie sagen die Jäger? – von einer Spur abzulenken? Ja, das ist es. Nun, das gelingt Ihnen nicht. Auch ich habe Ihren Neffen heute kennengelernt, und ich scheue mich nicht, Ihnen zu sagen, daß er mir noch weniger gefällt, als ich erwartete!«
    »Nein, wirklich? Dann müssen Ihre Erwartungen doch viel größer gewesen sein, als Sie mich annehmen ließen.«
    »Nein, aber – ich glaube, ich erwartete, daß er Charme hat. Ich finde ihn jedoch überhaupt nicht charmant und kann nicht verstehen, wie sich Fanny in ihn verlieben konnte. Jetzt sagen Sie aufrichtig – verstehen Sie es?«
    »O doch, leicht!« antwortete er. »Sie müssen zugeben, er ist ein sehr hübscher Bursche, kleidet sich außerdem vorzüglich und wirkt sowohl nobel wie gewandt.«
    »O ja!« sagte sie bitter. »Spielt seine Schmeicheleien aus. Er versuchte, mir süß zu kommen, aber ich glaube, er hat verborgene Krallen. Und wenn er lächelt, dann nicht auch mit den Augen: die sind nur – nur abschätzend! Das müssen Sie doch sicher bemerkt haben?«
    »Nein, eigentlich nicht!« bekannte er. »Aber das kann daher kommen, daß er nicht sehr oft lächelte, als er bei mir war. Oder er fand es vielleicht auch nicht nötig, mich – hm – abzuschätzen.«
    Sie sagte schnell: »Sie mögen ihn ebenfalls nicht, oder?«
    »Nein. Aber wie viele Leute mag man eigentlich?«
    Sie runzelte die Stirn, als sie das, für einen Augenblick von ihrem Thema abgelenkt, bedachte. »Bei der ersten Bekanntschaft? Ich weiß nicht; vielleicht nicht sehr viele. Aber daß man sie sofort ablehnt, muß nicht sein. Und so geht es mir mit Mr. Stacy Calverleigh.«
    »Ja, das habe ich mir gedacht«, sagte er ernst.
    »Und ich glaube trotz all seiner Beteuerungen und Schmeicheleien nicht, daß er Fanny wirklich liebt oder sich im geringsten bemüht hätte, ihre Zuneigung zu gewinnen, wenn sie nicht ein großes Vermögen besäße.«
    »O Gott, nein!«
    Sie wandte den Kopf, blickte flehend zu ihm auf und legte ihm die Hand auf den Arm. »Wenn auch Sie das glauben, wollen Sie nicht – oh, Mr. Calverleigh, wollen Sie nicht irgend etwas unternehmen, um meine arme Fanny zu retten?«
    Er betrachtete sie mit dem Lächeln, das anders als das seines Neffen in seinen Augen lebendig wurde, sagte aber nur: »Mein liebes Mädchen… Nein, nein, machen Sie nicht gleich ein verschlossenes Gesicht! Es ist mir nur so herausgerutscht! Meine liebe Miss Wendover, was, stellen Sie sich vor, könnte ich tun?«
    Da sie das noch nie überlegt hatte, war sie um eine Antwort verlegen. Sie sagte lahm: »Bestimmt sind Sie imstande, irgend etwas zu tun!«
    »Was bringt Sie auf diesen Gedanken?«
    »Nun ja – Sie sind schließlich sein Onkel.«
    »Oh, das ist kein Grand, Sie haben mir bereits gesagt, daß ich ein unnatürlicher Onkel sei. Wenn das heißen soll: einer, der sich nicht in die Angelegenheiten seines Neffen mischt, über den er keine Autorität hat und der genausogut der Neffe irgend jemandes sein könnte, dann haben Sie zweifellos recht!«
    »Keine Autorität, sicher. Aber was immer Sie sagen mögen, die Verwandtschaft besteht nun einmal, und Sie müssen Einfluß auf ihn haben, wenn Sie ihn nur ausüben wollten!«
    Er blickte einigermaßen amüsiert auf sie herab. »Wissen Sie, Sie haben einige bemerkenswert wirre Ideen in diesem bezaubernden Köpfchen! Wie, zum Teufel, soll ich Einfluß auf einen Neffen haben, den ich heute nachmittag zum erstenmal kennenlernte?«
    Sie sah zwar die Richtigkeit dieses Arguments ein, war jedoch nach wie vor überzeugt, daß er Stacy vertreiben konnte, wenn er nur wollte. Das war gegen jede Vernunft und nur durch die Kraft zu erklären, die sie in seinem Gesicht mit den harten Zügen zu entdecken glaubte, und durch eine gewisse Rücksichtslosigkeit, die unter seinem nachlässigen Verhalten verborgen lag. Sie sagte mit einem winzigen Seufzer: »Ich nehme an, Sie haben keinen Einfluß. Und doch – und doch – , ich glaube, Sie könnten, wenn Sie nur wollten!«
    »Und ich meinerseits glaube«, erwiderte er, »daß Sie sehr gut imstande sind, der Affäre ohne meine Hilfe ein Ende zu setzen.«
    Damit war das Thema abgeschlossen, und sie

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