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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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Abby nach allgemeiner Meinung die Aufmerksamkeiten des Herrn ermutigte. »Man bedenke nur, daß sie ganz allein mit ihm ins Theater ging! Als es mir Lady Empleton erzählte, konnte ich sie nur anstarren! Ich bin überzeugt, daß Abby so etwas noch nie getan hat!« sagte Mrs. Ancrum. »Merken Sie sich meine Worte«, sagte Lady Weaversham, »das wird ein ›Fall‹! Nun, ich wünsche ihnen beiden viel Glück!«
    »Eine ganz neue Seite an ihr!« sagte Mrs. Ruscombe mit ihrem dünnen, verkniffenen Lächeln. »Mich erstaunt es allerdings nicht: Ich habe sie immer für eine Spur zu frei gehalten.«
    Abby erkannte sehr wohl, daß sie über Nacht Gegenstand der Neugierde geworden war; und innerhalb weniger Tage tat das auch Selina. Sie regte sich dank der hinterlistigen Bemühungen einer ihrer Bekannten auf, als diese erfahren wollte, ob die liebe Miss Abigail sich demnächst verloben würde.
    »Ich war noch nie im Leben so erbittert!« erklärte Selina. »Eine solche Unverschämtheit! Ich habe ihr, wie du dir denken kannst, eine scharfe Abfuhr erteilt. Du und Mr. Calverleigh -! Wäre ich nicht so tödlich verärgert gewesen, hätte ich ihr ins Gesicht gelacht! Er ist doch nicht einmal in guten Verhältnissen, abgesehen davon, daß er weit unter dir steht, natürlich nicht, was die Geburt betrifft, aber ein Mann von höchst anstößigem Ruf, obwohl Mrs. Swainswick nichts darüber weiß, und du kannst dich darauf verlassen, daß ich ihr gegenüber keine Silbe davon verlauten ließ. Aber wie konnte sie nur die Unverschämtheit haben, sich vorzustellen – nicht, daß ich nicht von Anfang an gewußt hätte, was dabei herauskommen würde, und ich muß dich dringend bitten, liebe Abby, ihn in geziemendem Abstand zu halten!«
    Abby war genauso verärgert wie Selina, aber ihre Empörung nahm andere Formen an. »Was für ein Lärm um nichts!« sagte sie verächtlich. »Und ob du dieser ordinären Wichtigtuerin eine scharfe Abfuhr erteilen mußtest! Was jedoch tief unter mir stünde, wäre, auch nur im geringsten zu beachten, was ihr oder anderen ihresgleichen über mich zu reden beliebt.«
    Wenn es noch mehr als der hinterlistigen Frage der ordinären Mrs. Swainswick bedurft hätte, um den in Abbys Brust schlummernden Geist der Rebellion zu wecken, dann steuerte es Mr. Peter Dunston bei. Er sagte Abby, seine Mutter sei ganz entsetzt gewesen, als sie von ihrer Eskapade gehört hatte. »Wissen Sie, sie ist altmodisch. Ich brauche Ihnen kaum zu versichern, daß ich ihre Gefühle nicht teile. Was Sie tun, kann niemals falsch sein, Miss Abigail. Ja, wenn ich so wenig Rücksicht auf Ihren guten Namen in Bath nähme, wie Calverleigh, dann hätte ich es gewagt, Sie in meiner Gesellschaft ins Theater einzuladen.«
    Das versetzte Abby in derartige Wut, daß sie, wenn Mr. Calverleigh sie gebeten hätte, allein mit ihm nach Wells zu fahren, auf der Stelle zugestimmt hätte. Da er jedoch von ihrem Gemütszustand nichts wußte, tat er es nicht. Als aber die beiden jüngeren Mitglieder seiner Gesell-Schaft, sowie man Wells erreicht hatte, bald miteinander fortwanderten, wurde er tatsächlich ihre einzige Begleitung für einen Großteil des Tages, wobei der Fehler an dieser angenehmen Einteilung nur der war, daß keiner der Neuigkeitskrämer von Bath etwas davon wußte. Dieses Bedauern wurde jedoch bald über dem Vergnügen vergessen, einen Menschen mit der von Abby geliebten Kathedrale bekannt zu machen, der schnell ihre Schönheit begriff und dazu keinerlei Aufmunterung ihrerseits bedurfte. Abby dachte in rührender Unschuld, daß sie in Miles Calverleigh einen Freund gefunden habe, und einen weitaus besseren als jeden anderen, weil er raschen Geistes war, weil er sie zum Lachen bringen konnte, selbst wenn sie böse auf ihn war, und wegen eines Dutzends anderer Vorzüge, die ziemlich frivol waren – praktisch kaum Vorzüge zu nennen –, die jedoch zu einem bezaubernden Ganzen gehörten und schwerer wogen als Charakterfehler. Sie war sich letzterer bewußt, fand jedoch Entschuldigungen für seinen Zynismus und sogar für die Herzenskälte, mit der er die Probleme oder Kümmernisse anderer so zutiefst gleichgültig betrachtete, daß es fast unmenschlich erschien. Es war kein Wunder, daß zwanzig Jahre Verbannung ihn achtlos gemacht hatten. Das Wunder war vielmehr, daß er nicht verbittert war. Was das Leben betraf, das er in jenen Jahren geführt hatte, nahm sie nicht an, daß Tugend darin eine merkliche Rolle gespielt hatte, war jedoch der

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