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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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Wochen hindurch äußerst lästig gemacht, aber es war nichts Böses daran, da ihre Leidenschaft nicht erwidert wurde und der Professor ein achtbarer Mann mit einer Gattin und fünf Kindern war, die er alle sehr liebte. Weder Oliver noch Mrs. Grayshott hatten die Sache wichtig genommen; Oliver meinte, genausowenig hätte er Fannys gegenwärtige Verzauberung wichtig genommen, wenn sie ihr törichtes Herz an einen Mann von Charakter verloren hätte. Wie jedoch die Sache lag, war er ziemlich sicher, daß sie in eine Falle getappt war, die ihr von einem gutaussehenden Mitgiftjäger gestellt worden war. Es war ihm äußerst unbehaglich zumute. Eine Bemerkung, die Lavinia fallen ließ und hastig zurückgezogen hatte, ließ in ihm den unglaublichen Verdacht entstehen, daß eine heimliche Hochzeit in Betracht gezogen wurde. Er entdeckte, daß seine Mutter diesen Verdacht teilte, und war nur teilweise beruhigt, als er erfuhr, daß sie Miss Abigail Wendover vor einer möglichen Gefahr gewarnt hatte. Miss Abigail war keine Närrin, aber er hatte das Gefühl, daß die Situation der Hand eines Mannes bedurfte. Da Miss Abigails Bruder dafür ausschied, der anscheinend nicht ein Mensch war, auf den sie sich verließ, war derjenige, der offenkundig einschreiten konnte, Mr. Miles Calverleigh. Aber Miles zeigte keine Neigung, es zu tun, ja auch nur für die Tätigkeiten seines Neffen Interesse zu zeigen. Das überraschte Oliver nicht. Er hatte nicht umsonst mehrere Wochen in Mr. Calverleighs Gesellschaft verbracht, ohne zu entdecken, daß sich dieser niemals für Leute interessierte, die er nicht mochte. Es war unvorstellbar, daß ein Mann seines Formats Stacy gern haben konnte, und nutzlos, anzunehmen, daß Rücksicht auf den guten Namen seiner Familie ihn veranlassen würde, sich anzustrengen, um diesen Namen zu erhalten. Eine solche Rücksicht kannte er nicht. Andererseits konnte kein Zweifel bestehen, daß er Miss Abigail Wendover wirklich sehr gern mochte. Oliver, für den es von vornherein ausgeschlossen war, Stacy mit Stacys Onkel zu erörtern, konnte nur hoffen, daß dessen Schwäche für Abby ihn dazu bewegen würde, ihr zu Hilfe zu kommen. Er war ein seltsamer Mensch, eiskalt und doch so gütig; er war einfach nicht zu verstehen, aber eines war sicher: Wenn er jemandes Freund war, dann kannte die Hilfe, die er in seiner gleichgültigen Art leistete, keine Grenzen. Es war natürlich möglich, daß Miss Abigail ebenso wie Oliver Hemmungen empfand, Miles gegenüber die Sache zu erwähnen. Oliver dachte, daß vielleicht seine Mutter sie bestimmen konnte, solche Skrupel abzulegen, und er beschloß, ihr diesbezüglich einen sanften Wink zu geben.
    Während der Fahrt nach Wells erkannte er ebenso schnell wie Abby, daß Fanny ihr Möglichstes tat, irgendeine heimliche Sorge unter einer Maske der Fröhlichkeit zu verbergen. Sein Herz flog ihr entgegen, dem süßen dummen Baby, das sie war. Er war fast krank vor Sehnsucht, sie in die Arme zu schließen; aber dieses Verlangen mußte unterdrückt werden. Nicht allein seine Verhältnisse machten es ihm unmöglich, sich zu erklären: Fanny wollte ja seine Liebe nicht, sondern nur seine Freundschaft. Sie hatte einmal gesagt, als seine Mutter ihn tadelte, daß er Fanny beim Taufnamen nannte: »Aber ich habe ihn doch darum gebeten, Ma’am! Denn Lavvy und ich waren schon immer wie Schwestern, also muß Oliver mein Bruder sein!«
    Ein Spatz in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach; er wußte nicht, von wem dieses dumme Sprichwort stammte, nur, daß es ein Hohlkopf gewesen sein mußte. Es war keineswegs besser; wenn das reizende, liebste Mädchen, um dessen Besitz er seine Seele verkauft hätte, ihn aufforderte, Bruder zu sein, war das unendlich schlimmer.
    Wenn Fanny jedoch einen Bruder wollte, dann sollte sie eben einen haben. Vielleicht vermochte er, wenn er diese abscheuliche Rolle übernahm, zumindest ihr Vertrauen zu gewinnen, und es wurde ihm die Gelegenheit gegönnt, ihr klügeren Rat zu geben als denjenigen, den sie von seiner dummen Schwester bekam.
    Als sie längere Zeit in der Kapelle des Nordschiffes der Kathedrale verweilt hatten, in der die berühmte Glocke angebracht ist und die kleinen Ritter unaufhörlich über die sie überragende Barriere hinweg aufeinander mit Lanzen einstechen, hielt er Fanny zurück, als sie ihrer Tante und Mr. Calverleigh in einen anderen Teil des Doms folgen wollte. Er schlug ihr vor, die Kathedrale zu verlassen und eine Zeitlang im Freien zu

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