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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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ihn unmittelbar selbst berührten. Er stellte daher die Übertreibungen einer ältlichen Dame nicht in Rechnung, deren überwiegendes Interesse nur den eigenen Unpäßlichkeiten und den Krankheiten ihr Nahestehender galt. Stacy verließ Sydney Place mit dem Eindruck, daß Fanny, falls sie nicht überhaupt an der Schwelle des Todes stand, doch so ernstlich krank war, daß es viele Wochen dauern mußte, bis sie hoffen konnte, wieder gesund zu sein. Miss Wendover sagte, sie habe oft gefürchtet, daß Fannys Konstitution ihrer eigenen allzu ähnlich sei, und schmückte diese Feststellung mit einigen Beispielen aus, die, hätte er ihr mit so viel Aufmerksamkeit zugehört, wie sie sein besorgter Ausdruck vorspiegelte, ihn durchaus zu dem Schluß gerührt hätte, daß Fanny trotz ihres blühenden Aussehens und ihrer Lebendigkeit ein zerbrechliches, nur von ihrer Nervenkraft aufrechterhaltenes Geschöpf sei, die sie allerdings nur zu oft im Stich ließ.
    Er hörte nicht zu. Die Zartheit von Fannys Konstitution war von zweitrangiger Bedeutung. In erster Linie war es wichtig, daß sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach von ihrer Krankheit zu langsam erholen und noch wochenlang nicht imstande sein würde, die lange Reise zur schottischen Grenze zu unternehmen oder auch nur zu planen.
    Er bewahrte sein Lächeln und seine Miene höflicher Besorgnis, als er sich jedoch von Miss Wendover verabschiedete und den geschmackvollen Strauß, den er für die Kranke mitzubringen gewagt hatte, ihrer Obhut anvertraute, war er der Verzweiflung so nahe, wie es für einen Menschen seiner Veranlagung nur möglich war. Langsam ging er zur Stadtmitte zurück und versuchte vergebens, sich irgendein anderes Mittel als Heirat auszudenken, um seinem Vermögen auf die Beine zu helfen. Eine Glückssträhne konnte ihn vielleicht vor dem unmittelbaren Ruin retten, aber eine dauernde verdammte Pechsträhne hatte es ihm unmöglich gemacht, weiterhin auf Pump zu leben. Zwar wurden seine Schuldscheine in gewissen Kreisen noch immer akzeptiert, doch nur zögernd; und man hatte ihm – in höflichster Form – den Zutritt zu zwei der exklusiven Spielhöllen verweigert, die sich mehrere Jahre lang seines Besuchs erfreut hatten. Zum erstenmal im Leben wußte er, daß er sich in einer Sackgasse befand – und ohne Hoffnung auf Befreiung.
    Aber die Vorsehung, auf die er so lange sein sorgloses Vertrauen gesetzt hatte, ließ ihn nicht im Stich. Sie betrat in Verkleidung der Mrs. Clapham genau in diesem Augenblick den Eingang des Weißen Hirschen, vor sich den Reisemarschall, neben sich die Gesellschafterin und hinter sich Zofe und Lakai.
    Stacy erkannte nicht sofort, daß die Vorsehung um seinetwillen interveniert hatte. Als er den Weißen Hirschen erreichte, war Mrs. Clapham bereits ehrerbietig zu der Zimmerflucht geleitet worden, die ihr der Reisemarschall bestellt hatte, und die einzigen Zeichen ihrer Anwesenheit waren der elegante Reisewagen, der sie nach Bath gebracht hatte und noch im Hof stand, und die ungewöhnliche Geschäftigkeit, die bei den verschiedenen Hotelangestellten herrschte.
    Es gab Leute, welche die Lage des Weißen Hirschen für viel zu lärmend hielten, um bequem zu sein, aber es waren so viele Personen von Rang und Namen unter seinen Stammgästen, daß das von der Ankunft der Mrs. Clapham hervorgerufene Treiben bemerkenswert genug war, um Stacys Interesse zu wecken. Er erkundigte sich bei dem Kellner, der ihm eine Flasche Brandy aufs Zimmer brachte, wer denn zum Teufel Mrs. Clapham sei und warum sich alle überschlugen, um ihrer Behaglichkeit zu dienen? Der Kellner antwortete durchaus höflich, jedoch zurückhaltend, das sei die Dame, welche die größte und luxuriöseste Zimmerflucht des Hauses bestellt habe. Der Hausdiener war gesprächiger, und von ihm erfuhr Stacy, daß Mrs. Clapham eine Witwe sei, voller Geld, die mit Banknoten nur so um sich warf. Nur das Allerbeste durfte es sein, und sie war bereit, aus dem Handgelenk dafür zu bezahlen. Sehr liebenswürdig und leutselig war sie außerdem, was mehr war, als man von ihrer Gesellschafterin sagen konnte. Die war hochnäsig, gab ihre Anordnungen, als sei sie eine Herzogin, und sagte, daß einmal das und dann wieder jenes für ihre Herrin nicht gut genug sei. Ihre eigene Bettwäsche und ihre eigenen Kissen mußten auf ihr Bett getan und ihr eigener Tee serviert werden, und weiß der Himmel, was sonst noch alles außerdem! Stacys Neugierde wurde durch diese Beschreibung nur leicht gereizt.

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