Die Galerie der Lügen
ertappte sich sogar dabei, wie er Cary Grant um seine Rolle beneidete. Grant spielte den smarten Meisterdieb, der früher auf den Dächern von Nizza herumgeklettert war, um sich die Geschmeide betuchter Leute anzueignen. Irgendein Juwelendieb ahmte jetzt seine alte Masche nach und lenkte damit den Verdacht auf ihn, die im Ruhestand befindliche »Katze«. Wollte er nicht erneut ins Gefängnis wandern, musste er dem Nachahmer das Handwerkszeug legen.
Just in dem Moment, als er sich mit einem Versicherungsdetektiv von Lloyds traf, der ihm die Namen juwelenbeladener Kunden liefern sollte, sagte Hollermeier: »Komisch.«
Zablowskis Blick blieb auf der Mattscheibe kleben, als er brummte: »Was?«
»Für den Schaden, der durch die Einbrüche in den letzten Wochen angerichtet wurde, muss jedes Mal dieselbe Versicherung aufkommen. Hab ich letztens in den Nachrichten gehört.«
»Stimmt. Unsere wertvollsten Stücke sind auch bei ArtCare versichert. Die haben damals einen ziemlichen Zirkus veranstaltet, bis wir endlich ihre strengen Sicherheitsforderungen erfüllen konnten.«
»Komisch.«
Immer noch ließ Zablowski den Meisterdieb Cary Grant nicht aus den Augen, während er knurrte: »Könntest du dich mal deutlich ausdrücken, Timo?«
Der junge Wächter kratzte sich am Kopf. »Also, wenn die Bilder in dem Museum in Oslo nicht versichert sind, dann sind sie doch auch nicht bei ArtCare versichert, oder?«
Zablowski riss sich endlich vom Fernseher los, um seinen jüngeren Kollegen durchdringend zu mustern. »Wer sagt denn, dass diese verflixte Einbruchsserie immer nur ArtCare treffen muss?«
Hollermeier breitete verständnislos die Hände aus. »Na, die im Fernsehen.«
Zablowski verdrehte einmal mehr die Augen, bevor er sich wieder auf »die Katze« konzentrierte.
Wohl weniger als eine Minute später meldete sich erneut Hollermeiers Stimme.
»Komisch.«
Zablowski stöhnte. »Was ist denn jetzt schon wieder.«
»Da«, sagte der junge Wachmann und deutete auf einen der Monitore. »Im Kabinett 4. Kannst du das erkennen, was da unter dem Bilderrahmen am Boden steht?«
Zablowski nahm die Beine vom Tisch, rollte mit dem Stuhl an Hollermeiers Seite, setzte sich seine Lesebrille auf und ging mit der Nase ganz nahe an den Monitor. Nachdem er eine Weile geguckt hatte, brummte er: »Für mich sieht das aus wie ‘ne Kerze.«
»Hätte ich jetzt auch getippt. Komisch.«
Der Schnauzbart des Älteren sträubte sich wie bei einem Walross. »Timo, wenn du noch einmal › komisch ‹ sagst, verdonnere ich dich für den Rest der Nacht zu einem Dauerrundgang. Das ist nicht komisch, sondern merkwürdig, um nicht zu sagen, verdächtig. Wir müssen uns das ansehen. Du gehst sofort ins Obergeschoss und schaust nach dem Rechten. Nimm dein Funkgerät mit. Wenn dir irgendwas Besonderes auffällt, meldest du dich.«
Hollermeiers Blick huschte zum Fernsehapparat, als bedauere er, sich mit seiner Bemerkung selbst um den Schluss des Filmes gebracht zu haben. Seufzend schnappte er sich das Funkgerät und verließ den Raum.
Wenig später traf er im ersten Stock ein. Nicht wirklich überstürzt strebte er den Räumen entgegen, die der italienischen Malerei gewidmet waren. Als er das Kabinett 4 erreichte, musste er sich kurz orientieren, um die zuvor gesehene Kameraperspektive auf seinen jetzigen Standpunkt zu übertragen. Dann entdeckte er die Kerze.
Sie brannte nicht, wirkte nicht einmal echt, sondern eher wie eine schlechte Attrappe aus Stein oder Ton. Und es gab noch etwas anderes im Raum, das nicht echt war, wie Hollermeier feststellte, als sein Blick zu dem Rahmen über dem falschen Licht wanderte.
Eigentlich hatte er darin ein Meisterwerk aus dem sechzehnten Jahrhundert erwartet. Stattdessen sah er nur eine verwaschene Ansammlung von Farbflecken, die dem geraubten Gemälde gerade ähnlich genug waren, um auf dem Überwachungsbildschirm im Kontrollraum – schwarz-weiß und winzig klein – nicht aufzufallen. Hollermeier drückte die Sprechtaste seines Funkgeräts.
»Alois?«
»Ich kann dich auf dem Monitor sehen, Timo. Was ist da bei dir los?«, plärrte die Antwort sofort nach dem Loslassen des Knopfes.
»Wenn du mich fragst, solltest du Alarm geben. Das Bild – ich weiß nicht, ob man es so nennen kann, es sieht irgendwie komisch…«
In den Lautsprechern der Rundrufanlage knackte es, und Zablowskis verärgerte Stimme hallte durch die Ausstellung. »Bist du närrisch! Sag mir endlich, was du siehst.«
»Nichts«, antwortete Timo
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