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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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verabschiedete.
    »Sind Sie immer noch sicher, dass wir Daniels vertrauen können?«
    In ihm sträubte sich alles gegen den Gedanken, er könne die ganze Zeit von ihr betrogen worden sein. War sie eine Komplizin des »Gehirns«? Hatte sie womöglich ihn und die Öffentlichkeit mit ihrer »Galerie der Lügen« nur an der Nase herumgeführt? Dann wäre vermutlich auch der Hinweis auf die Kröller-Müller-Galerie nur ein Ablenkungsmanöver, so wie im Osloer Edvard-Munch-Museum.
    Bevor er in Martin Cadwells Hochglanzbüro hinauffuhr, musste er eine schwere Entscheidung treffen.
    Als er wieder herauskam, ging es ihm besser. Er hatte auf die Fortsetzung der bereits am Abend durch E-Mails und Telefaxe eingeleiteten »Operation Babel« bestanden.
    Je länger Darwin über die gemeinsam mit Alex verbrachte Zeit und über ihre Gespräche nachdachte, desto mehr Zweifel kamen ihm an dem von Longfellow angedeuteten Verdacht. Er fürchtete, sie könnte gekidnappt oder – der Gedanke traf ihn mit unerwartetem Schrecken – ermordet worden sein. Bevor er nach Arnheim reiste, musste er in ihre Vergangenheit vorstoßen. Dort, vielleicht irgendwo in Schottland, begann womöglich der Faden, der ihn in das Zentrum des Labyrinths führte…
    »Guten Morgen, Bob, hier ist Shaw, Darwin Shaw.« Er hatte vor Jahren in Edinburgh einen Fall von Waffenschieberei bearbeitet und sich damals mit Robert Mackenzie angefreundet, seinem Kollegen bei der 243th Provost Company, die in Livingston, etwa fünfzehn Meilen westlich der schottischen Hauptstadt, stationiert war.
    »Darwin. Schön, von dir zu hören. Wie fühlt man sich so als Zivilist? «
    »Momentan wie ein Rohrkrepierer.«
    »Hört sich an, als stecktest du in Schwierigkeiten.«
    »Ich bin jetzt Ermittler bei ArtCare, einer Versicherung mit Schwerpunkt Kunst und alte Kulturgüter…«
    »Doch nicht der Laden, der gerade von diesem Verrückten jede Woche eins drauf bekommt?«
    »Hat es sich also auch schon bis nach Schottland rumgesprochen.«
    »Hör mal! Wir sind hier vielleicht etwas abgelegen, aber nicht zurückgeblieben.«
    »Deshalb rufe ich dich an, Bob. Wie gut kannst du mit der örtlichen Polizei?«
    »Manchmal blocken sie ein bisschen, eben die üblichen Kompetenzstreitigkeiten, aber es gibt ein paar Kollegen, mit denen ich regelmäßig für die Heavy Events trainiere.«
    Darwin erinnerte sich. Mackenzie war ein regelmäßiger Teilnehmer der Highland Games in Edinburgh, wo richtige Männer mit Hämmern und Baumstämmen um sich warfen. »Ich suche dringend Informationen über ein Ehepaar, das in oder bei Edinburgh gewohnt haben muss. Sie heißen Norman und Cynthia Daniels.«
    »Schon notiert. Wann ungefähr war das?«
    »Mit ziemlicher Sicherheit von etwa 1982 bis ‘94.«
    »Warum gibst du keine Anfrage bei den Meldebehörden auf?«
    »Der Dienstweg dauert zu lange. Es geht um Leben und Tod.«
    »Bildlich oder buchstäblich gesprochen?«
    »Eher Letzteres.«
    »Also gut, ich rufe gleich mal meinen Kumpel in Edinburgh an. Bist du unter der Nummer, die ich hier im Display sehe, in den nächsten ein, zwei Stunden erreichbar?«
    Darwin bejahte, gab Mackenzie auch noch seine Handynummer und verabschiedete sich. Er war gespannt, ob seine alten Kontakte mehr zu Tage fördern konnten, als er bisher schon von Mortimer und natürlich Alex über das Forscherehepaar wusste.
    Becky Hampton betrat das Büro. Sie besaß das Talent, die Problemzonen ihrer üppigen Figur durch körperbetonte Kleidung ins Blickfeld des Betrachters zu rücken. An diesem Morgen schaffte sie dies mit einem eng en, leuchtend roten Angorapullo ver, einem rot-grünen, viel zu kurzen Karorock, dicken schwarzen Strümpfen und kniehohen Stiefeln. In der Hand hielt sie vier oder fünf Zeitungen.
    »Morgen, Darwin. Heute schon in die Gazetten geschnuppert?«
    »Verschone mich damit. Mir fehlt die Zeit dafür.«
    Sie hob die Augenbrauen. »Oh, oh! Wieder mal schlechte Laune, was?«
    »Ich habe wirklich zu tun, Becky!«
    Sie warf den Stapel auf den flachen Aktenschrank gegenüber dem Schreibtisch und deutete darauf. »Solltest trotzdem mal reinriechen, wenn du einen Moment Luft hast. Kommt schließlich nicht jeden Tag vor, dass der eigene Name in der Times steht.« Sie trat den Rückzug an.
    »Ach, Becky!«
    »Ja, mein Captain?«
    Er runzelte unwillig die Stirn, überhörte aber geflissentlich ihre Spitze. »Kannst du mir erklären, was eine Chimäre ist?«
    »Mischwesen mit drei Köpfen: vorne Löwe, in der Mitte Ziege, hinten

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