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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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innewohnen. Die Nachfolger Deweys haben hierauf das Manifest 1973 umgeschrieben. Ich kann mich noch gut an den Wortlaut ihrer revidierten Fassung erinnern: › Die Wissenschaft hat manchmal negative statt positive Sachverhalte hervorgebracht ‹ , wurde darin eingeräumt. In der Grundeinstellung gegenüber der Wissenschaft als alleinige Heilsbringerin für die Menschheit blieb sich aber auch das neue Manifest treu. Über die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse hieß es darin sinngemäß: › Indem wir die Technik klug einsetzen, können wir den Verlauf der menschlichen Evolution und kulturellen Entwicklung ändern, gewaltige neue Kräfte freisetzen und der Menschheit beispiellose Möglichkeiten bieten, ein erfülltes und sinnvolles Leben zu führen. ‹ Wenn stimmt, was du mir gerade erzählt hast, dann scheinen einige Personen das neue Manifest sehr ernst genommen zu haben.«
    Theo nickte. »Sie wollten den neuen, den besseren Menschen erschaffen, einen, der den sich rasend vollziehenden Veränderungen in der Welt gewachsen ist und dem kleinlichen Krieg der Geschlechter ein Ende bereiten kann. Offenbar glaubten sie, dieser neue Mensch könne nur ein › echter ‹ Hermaphrodit sein. Vorteile fielen ihnen genügend ein: Bei einer jahrzehntelangen Weltraummission br ä uchte man sich nicht mehr über Quotenfrauen Gedanken zu machen. Man müsste einfach die Besten der Besten auswählen. In punkto Fortpflanzung wären sie beliebig austauschbar, ja, notfalls sogar in der Lage, sich eigenständig zu reproduzieren…«
    »Ha!« Alex’ Lachen hörte sich eher entsetzt als fröhlich an.
    »Ich weiß, das alles klingt nach einem Extrakt aus Zynismus und Menschenverachtung, aber es ist wahr. Anfang der Achtziger muss es in der Humangenetik wie im Wilden Westen zugegangen sein. Wenig war gesetzlich geregelt. Offenbar haben sich unsere Väter eine nachträgliche Absegnung ihrer Arbeit erhofft, vielleicht nicht der schmutzigen Details, aber doch ihrer Forschung zum reproduktiven Klonen im Allgemeinen. Wie dem auch sei, wir zwei und unsere Geschwister sind jedenfalls das, was am Ende herauskam. Genetisch gesehen, haben wir keine Mutter, sondern nur einen Vater. Er war übrigens der Leiter des Projekts.«
    »Und woher weißt du das alles?«
    »Aus irgendeinem, mir nicht bekannten Grund drohte die Geschichte ans Tageslicht zu kommen. Du kannst dir vorstellen, was das für einen Skandal gegeben hätte. Die Öffentlichkeit bildete sich ja gerade eine Meinung zu den sich am Horizont abzeichnenden Möglichkeiten der Biotechnologie. Das Klonen von Menschen wurde gewissermaßen zur Todsünde erklärt. Weil besagtes Forschungsinstitut einer Stiftung angehörte, die wiederum Teil eines großen Konzerns war, zeichnete sich für diesen eine wirtschaftliche Katastrophe ab.«
    »Also haben sie das Institut geschlossen.«
    »Kluges Mädchen! Jetzt komme ich ins Spiel. Einige der von Leihmüttern ausgetragenen Klone wurden nach der Geburt an Ehepaare aus dem Kreis der Mitarbeiter gegeben. Meine Adoptiveltern gehörten auch dazu. Bis zur Schließung war mein späterer Vater für die Sicherheit des Labors verantwortlich. Er hat genau gewusst, was bei HUGE getrieben wurde, und er hat mir alles…«
    »Human Genetics? Aber die existieren doch immer noch. In Cambridge, wenn mich nicht alles täuscht.«
    »Richtig. Das sind die Saubermänner, die weiterforschen durften. Nur das schwarze Schaf aus Edinburgh ist notgeschlachtet worden.«
    »Soweit ich weiß, gehört HUGE zu den eifrigen Befürwortern der Gesetzesvorlage, die demnächst das reproduktive Klonen legitimieren soll.«
    »Du sagst es. Am 30. Oktober stimmt das Unterhaus darüber ab. Aber selbst wenn das Gesetz durchkommt, hat es für HUGE einen Schönheitsfehler: Es gibt keine Amnestie für alte Sünden, schon gar nicht für solche Doktor-Frankenstein-Experimente, denen wir unsere Existenz verdanken. Ahnst du schon den Grund meiner Geheimniskrämerei um Theo’s Castle?«
    Alex’ Unterkiefer fiel herab. Sie schüttelte den Kopf. »Das ist doch nicht dein Ernst?«
    »Als was würdest du die Explosion deines Hauses denn sonst bezeichnen? Für einen Silvesterknaller ist es noch ein bisschen früh, findest du nicht?«
    »Du meinst, Human Genetics schickt Brandstifter und Mörder durch die Gegend, um alte Sünden aus der Welt zu schaffen?«
    »Vielleicht nicht die Saubermänner. Aber das schwarze Schaf hat sich nach seiner Notschlachtung posthum als Organspender verdient gemacht. Ich denke,

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