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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ihrem philosophischen Zwinger befreien zu können? Sie merken ja nicht einmal, wie sehr ihr Denken domestiziert wurde.«
    »Der Vergleich gefällt mir«, lobte Theo. »Wie ist es denn mit in Gefangenschaft aufgewachsenen Tieren, die plötzlich in die Freiheit entlassen werden? Die meisten verenden elendig. Um die Gedanken der Menschen auszuwildern, muss man sie schrittweise aus den Zwängen ihrer Weltanschauung befreien. Jeder Museumseinbruch sollte sie ein Stückchen näher an die Unabhängigkeit heranführen.«
    Alex schnaubte. »Wozu das Ganze, Theo? Etwa aus Rache für das, was man uns angetan hat?«
    »Rache? Ich will mehr als nur Rache. Ich will zeigen, wo das Denken in die Irre geht. Am Schluss wird niemand mehr leugnen können, wie verletzlich die von Menschen geschaffene so genannte › Vollkommenheit ‹ ist. Schau dir Gottes Geschöpfe an! Sie haben sich immer wieder an neue Bedingungen angepasst, ohne ihren grundsätzlichen Bauplan zu verändern…«
    »Was dir jeder Darwinist als Beweis für Evolution vorhalten wird.«
    »Daher Das Urteil des Paris in der › Galerie der Lügen ‹ . Es zeigt, wie du richtig erklärt hast, dass Selektion nur aus Vorhandenem auswählen kann, aber nie Neues schafft. Deshalb müssen wir den Menschen bewusst machen, dass man nicht etwas beschleunigen oder veredeln kann, was es gar nicht gibt. Jene vermeintliche Vollkommenheit, die sie hervorbringen, mag die Sinne für den Augenblick betören, aber wehe wir setzen sie den Naturgewalten aus. Man muss sie unablässig beschützen, um das Trugbild der Makellosigkeit zu erhalten; andernfalls droht womöglich allem Leben auf unserem Planeten eine große Gefahr.«
    Der Brunello trieb ein Kichern aus Alex heraus, dem sie nichts entgegenzusetzen hatte als: »Ein Zitat von Sir Peter Ustinov: › Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt explodiert, wird die Stimme eines Experten sein, der sagt : »Das ist technisch unmöglich! « ‹ « Das Kichern setzte sich fort.
    »Bist du beschwipst?«, fragte Theo.
    »Ist nicht so schlimm«, wiegelte sie ab.
    Er lächelte und griff zur Weinflasche, um ihr den Rest einzuschenken. Anstatt jedoch den edlen Tropfen in ihr Glas zu leeren, stieß er mit dem Flaschenhals dagegen. Es fiel um, und der Rotwein ergoss sich über das Essdeckchen und ihre Jeans.
    »Entschuldige! Wie ungeschickt von mir.«
    »Zum Glück gibt Rotwein keine Weißweinflecken«, wiegelte sie glucksend ab.
    »Das kriegen wir wieder hin«, beeilte sich Theo zu versichern. Hierauf brach er in Hektik aus, als habe er einen unverzeihlichen Fauxpas begangen, der nur durch prompte Schadensbegrenzung wieder gutzumachen war.
    Er sprang aus seinem Stuhl, zerrte auch Alex von ihrem Sitz und schob sie in Richtung Tür. Nebenan sei ein Bad, erklärte er, um ihre Beschwichtigungsversuche zu entkräften. Es ging auf den Flur hinaus und zu einer weiteren Tür schräg gegenüber. Neben dem schwarzbraunen Holzpfosten befand sich ein Zahlenschloss. Rasch wurde eine Nummer eingetippt. Bei jeder der sechs Ziffern spürte Alex einen Impuls, als würde man die Wähltöne eines Telefons hören. Es klickte, Theo drehte am Knauf und drückte die Tür nach innen.
    Ein Gästezimmer? Wozu dann das Zahlenschloss?, fragte sich Alex argwöhnisch, als sie das Bett und die etwas altbackene Einrichtung des Raumes sah, die wenig mit dem modernen Ambiente draußen harmonierte. Theo gab ihr keine Gelegenheit zum Nachdenken. Er schob sie in das Zimmer, auf eine weitere, nur angelehnte Tür zu.
    »Da ist das Badezimmer«, erläuterte er, was insofern überflüssig war, als Alex im Türspalt bereits die weiß-schwarzen Fliesen sehen konnte. Ihr war schwindelig. Sie hätte vielleicht doch besser sitzen bleiben sollen…
    »Dein Sweatshirt hat auch ein paar Spritzer abbekommen. Zieh am besten alles aus.«
    »Das ist nicht der Rede wert«, lallte Alex. Alles drehte sich um sie herum.
    »Jetzt zier dich nicht. Wir sind schließlich Geschwister.«
    »Aber…«
    »Kein Aber«, beharrte Theo und redete weiter auf sie ein.
    Alex stand völlig neben sich. Habe ich so viel Wein getrunken? Sie musste irgendwann die Kontrolle verloren haben. Kein Wunder, bei diesem reichlich emotionalen Abend!
    Um endlich Ruhe zu haben, gab sie schließlich nach. Sie streifte das Sweatshirt über den Kopf und ließ es in Theos ausgestreckte Hand fallen. Schaute er auf ihre Brüste? Wenn ja, dann jedenfalls nicht mit dem Monsterding, sondern eher neidvoll.
    »Soll ich mich umdrehen?«, fragte

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