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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Darwin. Man hat Sie von höchster Stelle aus dem Rennen gekickt. Und da soll ich Sie mit einer tatverdächtigen Person allein lassen?«
    »Reden Sie von Alex Daniels nicht immer wie von einem Neutrum, Mortimer.«
    Der Polizist warf den Kopf in den Nacken. »Sie machen mir Spaß. Daniels ist ein Neutrum.«
    »Ist sie nicht. Sie ist ein Mensch. Und sie hat sich die Identität einer Frau erwählt. Es kann doch nicht so schwer sein, ihr dieses bisschen Würde zuzugestehen, oder?«
    Longfellow funkelte sein Gegenüber unwillig an. »Das Problem ist weniger die Zunge als der Kopf«, brummte er.
    »Was ist nun? «
    »Was ist was?«
    »Lassen Sie mich mit ihr alleine sprechen? Vielleicht erzählt sie mir ja mehr als Ihnen.«
    Longfellow seufzte. »Na schön. Aber das wird auf kleiner Flamme gekocht, hören Sie?«
    Darwin grinste. »Schon klar. Wir wollen ja die Pension nicht gefährden.«
    Der Detective öffnete die Tür und rief seine Kollegin heraus, die Daniels vor der Flucht bewahren sollte. Erst als der blonde Zopf der Uniformierten im Treppenhaus verschwunden war, deutete Longfellow mit dem Kopf in den Raum.
    Darwin betrat das Zimmer. Es diente offenbar als Ruhe- und Erste-Hilfe-Raum. Alex saß wie ein Häuflein Elend auf einer Liege, den Rücken an die Wand gelehnt. Sie trug eine Denimbluse und Jeans, die ihn verdächtig an die Gefängniskleidung von Holloway erinnerten.
    Als sie den Besucher sah, weiteten sich ihre Augen. Er hatte das Gefühl, ihr Körper blähe sich einen Atemzug lang auf, fast so, als wolle sie zu ihm stürzen, aber dann sank sie wieder in sich zusammen.
    Er blieb neben ihr stehen und kam sich mit einem Mal wahnsinnig ungeschickt vor. Irgendwie verspürte er das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen, aber die Kraft reichte nur für die Hand, die sich tröstend in die Beuge zwischen Schulter und Hals legte. Er lächelte.
    »Du hast mir Sorgen bereitet, Partner.«
    Ihre violetten Augen musterten ihn mit einem gequälten Ausdruck. Unvermittelt senkte sie den Blick.
    »Wie geht es dir?«, fragte er leise.
    »Blendend«, erwiderte sie müde.
    »Meine Frage war ernst gemeint, Alex.«
    »Meine Antwort auch.«
    »Ich habe gehört, was dir passiert sein soll.«
    Sofort hob sich ihr Blick, und ihm wurde bewusst, dass er die falschen Worte gewählt hatte. Wenn ihre Geschichte stimmte, dann musste schon der Anschein von Misstrauen Gift für ihre Seele sein.
    »So habe ich das nicht gemeint«, korrigierte er sich schnell.
    »Ist mir egal, wie du es gemeint hast.« Sie widmete sich wieder der Betrachtung ihrer Knie.
    »Ich glaube nicht, dass du in Holland ein Museum ausgeraubt hast.«
    Ihr Brustkorb blähte sich von einem unterdrückten Lacher, nur um sofort wieder zusammenzufallen. »Soll ich dir dafür auch noch dankbar sein?«
    »Warum machst du es uns so schwer, Alex?« Verdammt!, dachte er, als er sich seines Vorwurfs gewahr wurde.
    »Ich habe dich nicht eingeladen«, sagte sie.
    »Wohin hat Theo dich verschleppt? Er ist es doch, der hinter der Entführung steckt, oder?«
    Sie schwieg.
    »Hat er dir Drogen verabreicht?«
    Unsicher wanderte ihr Blick an ihm empor, bis er auf seinem Gesicht haften blieb.
    »Also ja«, schlussfolgerte Darwin.
    Sie sagte nichts.
    »Hat er dir gedroht, wenn du ihn verpfeifst?«
    Der Ausdruck in ihren Augen wurde schmerzvoller, aber sie bewahrte ihr Schweigen.
    Nun ließ sogar Darwin den Kopf hängen und seufzte tief. »Willst oder kannst du mir nicht helfen?«, murmelte er, wobei er selbst nicht hätte sagen können, ob die Worte an Alex oder an ihn selbst gerichtet waren.
    »Es wird nicht mehr lange dauern.« Ihre Stimme klang so flüchtig wie ein Morgennebel.
    Sein Haupt ruckte hoch. »Was meinst du?«
    »Die Galerie der Lügen. Sie neigt sich dem Ende. Die Erde wurde in sechs Schöpfungsperioden gebildet. So steht es in der Genesis. Sechsmal hat das › Gehirn ‹ zugeschlagen. Als am Abend des sechsten Tages das erste Menschenpaar ins Dasein kam, jubelten die Engel, › und siehe, es war sehr gut ‹ .«
    Darwin starrte sie wie gebannt an. Es klang, als spräche ein Medium. Hatte der Entführer irgendetwas mit ihrem Verstand angestellt?
    »Es war vollkommen«, fügte Alex mit seltsamem Nachdruck hinzu. »Und danach – am siebten Tag – ruhte Gott von all seinem Werk. Aber nach dem Sündenfall…« Ihr Blick wanderte zum Fenster, wo Londons Lichter sich im Fenster brachen. »Nach dem Sündenfall verlor der Mensch, der ewig auf Erden hätte leben können, seine Vollkommenheit

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