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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Darwin. Er ließ seinen ganzen Charme spielen.
    Ms Callison-Ferguson weigerte sich trotzdem.
    »Aber«, fügte sie mit zuckersüßer Stimme nach einer Pause hinzu, »wenn Sie sich ausweisen können und mich lieb darum bitten, dann könnte ich Ihnen Einblick in unsere Ehemaligen-Verzeichnisse gewähren. Die Jahrbücher können Sie in der Bibliothek sowieso einsehen.«
    Darwin fragte nach der Adresse.
    »Wir sitzen in der Gower Street«, antworte die Sekretärin.
    Er wagte es, die gut zweieinhalb Meilen mit dem Auto zurückzulegen. Etwa zwanzig Minuten später stand er am Tresen des Sekretariats und lächelte in das sommersprossige Gesicht von Helen Callison-Ferguson. Die Sekretärin konnte nicht älter als dreiundzwanzig sein. Sie hatte krauses, kupferfarbenes Haar, eine runde Nickelbrille und eine niedliche Nase, die bei jeder Gelegenheit haufenweise Fältchen bekam.
    Darwin zeigte ihr seinen Firmenausweis. Callison-Ferguson sah mehr den Man n als das Plastikkärtchen an. »I st in Ordnung«, erklärte sie und legte ein Jahrbuch nebst einen Computerausdruck auf den Tresen. »Ich hatte gerade nichts Besseres zu tun. Eine Tür weiter ist ein Besprechungsraum. Da können Sie die Unterlagen in Ruhe studieren. Wenn Sie fertig sind, bringen Sie einfach alles zurück.«
    Er belohnte sie für ihre Hilfsbereitschaft mit seinem besten Detective-David-Starsky-Lächeln. »Danke, Helen… Oh! Verzeihen Sie die Vertraulichkeit.«
    Sie zog den Kopf zwischen die Schultern, ihre Nase krauste sich, und sie winkte kichernd ab. »Das macht doch nichts. Hier an der Schule geht sowieso alles ziemlich locker zu.«
    Darwin räusperte sich und deutete mit dem Daumen in Richtung Tür. »Na, dann werd ich mal.«
    Als er in dem winzigen Besprechungsraum das Jahrbuch einer genaueren Prüfung unterzog, dachte er zunächst, die rothaarige Helen habe sich geirrt. Es stammte aus dem Jahr 1987. Cadwell hatte damals seine Doktorwürde erhalten. Inzwischen war er sechzig. Zur Zeit seiner Promotion musste er also vierzig gewesen sein. Als Darwin die Immatrikulationsdaten anhand des Computerausdrucks überprüfen wollte, glaubte er abermals an einen Fehler der Sekretärin. Da stand ein unaussprechlicher…
    Kopfschüttelnd wandte er sich wieder dem Jahrbuch zu. Jetzt erst fiel ihm auf, dass Cadwells Name in Anführungsstriche gesetzt war. Er lief mit dem Almanach ins Sekretariat zurück und fragte Helen nach dem Grund der Besonderheit.
    Sie kicherte. »Es kommt zwar selten, aber immer mal wieder vor, dass eine Studentin oder ein Student sich für den neuen Michelangelo hält und sich einen Künstlernamen aussucht.«
    » › Martin Cadwell ‹ ist ein Künstlername?«
    Sie sah ihn überrascht an. »Das ist in Großbritannien kein Verbrechen. Wissen Sie, dass Elton John in Wirklichkeit Reginald Dwight heißt?«
    Nein. Wusste er nicht.
    Der Rest war ihm natürlich geläufig. Von vielen Berühmtheiten der Musik- oder Filmszene kannte kaum jemand den richtigen Namen. Aber ein Vorstandsvorsitzender einer Versicherung mit einem Künstlernamen?
    »Äh… Danke, Helen«, sagte Darwin und verschwand erneut ins Kabuff.
    Im Computerausdruck stand es schwarz auf umweltschutzgrau: Martin Cadwell war am 11. Februar 1947 im isländischen Reykjavik geboren. Seine Geb urtsurkunde kannte ihn als Thor grim Gunnarsson.
    Darwin ließ sich in die Lehne des Stuhls zurückfallen und schloss die Augen. Er hatte das Gefühl, der Raum habe soeben begonnen, sich um ihn herum zu drehen.
    Was hatte das nun zu bedeuten? War Cadwells Festhalten an seinem »Künstlernamen« reine Eitelkeit? Ein Name wie Thorgrim Gunnarsson mochte im angloamerikanischen Sprachraum komisch wirken oder gar Mitleid wecken. So etwas konnte für einen Vorstandsvorsitzenden ebenso wie für einen Künstler nachgerade zum Problem werden.
    Oder hatte Martin Cadwell seinen Geburtsnamen aus anderen Gründen abgelegt?
    Darwin legte die Prepaid-Karte in sein Mobiltelefon ein und wählte Longfellows Nummer. Der Detective war von dem Anruf nicht sonderlich begeistert, aber als er die Neuigkeit erfuhr, fluchte er.
    »Das hätte doch irgendjemandem auffallen müssen!«
    »Wie gründlich haben Ihre Männer denn Cadwell nachgespürt?«, fragte Darwin provokativ. »Er scheint ja mit Sir Walter H. Ramleigh auf du und du zu stehen.«
    »Daran könnt’s liegen. Aber mir hat natürlich wieder mal keiner was gesagt. Haben Sie noch etwas über Ihren Chef herausgefunden?«
    »Ja.« Und das hatte Darwin noch mehr überrascht als

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