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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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und war fortan nur noch ein verletzlicher Abklatsch, ja, nur mehr eine Karikatur jener Krone der Schöpfung, die Gott am Anfang erschuf.«
    Darwin wartete gespannt, ob es noch eine weitere Fortsetzung der wie ein Orakel klingenden Worte geben würde, aber Alex schwieg. Als wäre es das Wichtigste auf der Welt, beobachtete sie das Gefunkel der Stadt.
    Er richtete noch eine Reihe weiterer Fragen an sie, doch Alex schien ihn nicht mehr zu hören. Schließlich gab er auf.
    Wieder bei Longfellow vor der Tür, starrte er mit leerem Blick auf den grauen Linoleumboden, schüttelte den Kopf und erklärte: »Irgendwas stimmt nicht mit ihr. Entweder der Entführer hat sie einer Gehirnwäsche unterzogen, oder sie fürchtet sich vor irgendetwas.«
    »Ha!«, lachte der Polizeibeamte. »Das können Sie ruhig laut sagen: Die hat nicht alle Tassen im Schrank.«
    Darwin bedachte ihn mit einem bohrenden Blick. »Das mit dem Femininum klappt ja schon ganz gut, jetzt brauchen Sie nur noch Ihren Zynismus abzustellen, Mortimer.«
    Er grunzte. »Nach sechsunddreißig Jahren Polizeidienst ist das schlechthin kaum möglich. Jetzt lassen Sie uns mal gemeinsam auf den Busch klopfen. Vielleicht kommt dabei mehr heraus.«
    Widerspruchslos, ja, geradezu apathisch ließ sich Alex Daniels in ein Verhörzimmer führen. Der Raum war trostlos: ein Tisch, zwei Stühle, ein Wandtelefon. Longfellow bot der »verdächtigen Person« einen Kaffee an. Sie lehnte ab. Der Versicherungsdetektiv wies den leitenden Vernehmungsbeamten darauf hin, dass sie Teetrinkerin sei. Darauf wurde Tee bestellt.
    »Wo waren Sie in den letzten sechs Tagen?«, fragte Longfellow.
    »Entführt«, antwortete Alex leise. Ihr Blick lag da, wo ihre Hände waren: auf dem Tisch.
    »Hat Kevin Theodore Kendish alias Theo Sie gekidnappt?«
    Ihre violetten Augen richteten sich auf den Polizisten. Darwin glaubte darin eine Frage zu sehen, aber im nächsten Moment starrte Alex wieder ihre Hände an und blieb stumm.
    Das so begonnene Verhör verlief noch unergiebiger als Darwins vorangegangenes Gespräch. Auf die meisten Fragen reagierte Alex mit Schweigen. Nur einmal unterbrach sie es. Bedächtig, so als müsse sie jedes Wort erst sorgsam abwägen, verlangte sie eine DNA-Analyse des auf dem Sweatshirt klebenden Blutes. Darwins Sorge um Alex nahm wieder zu. Dr. Atkey hatte ihren Zustand als labil bezeichnet und ihr Ruhe verordnet. Longfellow ging allmählich zu weit, dachte Darwin und wollte gerade intervenieren, als der Beamte wohl selbst die Fruchtlosigkeit seiner Bemühungen erkannte.
    »Also schön«, sagte er mit versteinerter Miene. »Wenn Sie uns nicht helfen wollen, dann werden Sie eben in einer gemütlichen Zelle auf das Ergebnis der Untersuchungen warten.«
    Entsetzen erschien im Gesicht der Gefangenen.
    Longfellow erhob sich, um mit dem Telefon die Beamten zu rufen, die Alex in ihre »Unterkunft« begleiten sollten, als der Apparat plötzlich schellte.
    »Longfellow«, blaffte der Polizist den Hörer an, als habe der ihn persönlich beleidigt.
    Darwin konnte beobachten, wie sich an dem Detective, diesem alten Schlachtross, eine seltsame Verjüngung vollzog. Nach einigen Jas und Neins wurde sein sonst stets etwas schlaff wirkender Körper wieder straff und gerade. Wie ein Rekrut, der sich von seinem Spieß eine Standpauke halten lässt, stand er in Habachtstellung da und lauschte dem unbekannten Anrufer.
    »Habe verstanden, Mylord«, erklärte er schließlich. »Auf Wiedersehen.«
    Er legte auf und sah Darwin mit großen Augen an. »Sie glauben mir nie und nimmer, wer das eben war.«
    Sogar Alex hatte sich umgewandt und sah den Polizisten gespannt an.
    »Sie haben mächtige Freunde, wie es scheint«, fügte Longfellow an sie gewandt hinzu.
    »Jetzt lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen, Mortimer. Wer ist das gewesen? Was wollte er?«, drängte Darwin.
    »Lord Malcolm Horace of Witcombe.«
    »Der Lord Chancellor?«
    »Ja, der oberste Hüter des Rechts höchstpersönlich.« Der Polizist schüttelte den Kopf. »Er habe eben mit meinem Chef gesprochen, dem Innenminister, sagt er. Die Vorgehensweise sei ordnungsgemäß abgesegnet worden, sagt er.«
    »Was für eine › Vorgehensweise ‹ denn? Sie hören sich an, als müssten wir in der nächsten halben Stunde zum Mars aufbrechen.«
    Longfellow blickte Darwin mürrisch an. »Lord Witcombe verlangt, dass die verdächtige Person auf freiem Fuß bleibt, solange ihr nicht unzweifelhaft eine Beteiligung an den Museumseinbrüchen

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