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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nachgewiesen werden kann.«
     
     
    »Ich möchte zu Lucy. Sie versteht mich.« Alex’ Antwort auf Darwins Frage, wohin er sie bringen solle, war keine Forderung gewesen, eher ein Flehen. Sie hatte ihn aus ihren großen violetten Augen auf eine so erbarmenswerte Weise angesehen, dass er ihr die Bitte nicht abschlagen konnte. Und seine kleine Schwester war auch einverstanden gewesen.
    Mortimer wäre die Schutzhaft in Holloway zweifellos lieber gewesen. Aber der schwarze Riese war nicht der diamantharte Kerl, für den er sich gerne ausgab, das wusste Darwin. Nachdem es nun sogar Rückendeckung durch zwei Minister gab, konnte Detective Superintendent Longfellow sogar eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung des »Objektes« in der Copperfield Street durchsetzen.
    Als Darwin seine Schutzbefohlene vor dem Haus seiner Eltern absetzte, stand das Fahrzeug der Zivilbeamten bereits am Straßenrand. Er brachte es nicht fertig, sie an diesem Abend mit weiteren Fragen zu quälen. Ohnehin hatte er das Gefühl, damit nichts bewirken zu können.
    Am nächsten Morgen suchte er schon um sieben das Büro auf, um seinen Bericht zu schreiben. Um halb neun saß er in Cadwells Hochglanzbüro. Jack Jordan beobachtete ihn von der Tür wie einen potenziellen Attentäter, während Darwin für seinen Chef zusammenfasste, was dieser ohnehin schon aus den regelmäßigen Telefonaten der letzten Tage wusste. Irgendwie schien der Zorn des Generals einer Art Fatalismus gewichen zu sein.
    »Mitten im Rennen wechselt man nicht die Pferde«, erklärte er, was wohl als weitere Verlängerung der Galgenfrist zu deuten war. Darwin solle Daniels ausquetschen. Wenn sie das »Gehirn« sei, würde die Polizei einen neuen Ausflug in die Welt der Räuberei zu verhindern wissen. Wenn aber nicht, hätte sie jetzt die einmalige und wohl auch letztmalige Chance, sich zu rehabilitieren.
    Die Wortwahl war unmissverständlich. Für Cadwell stand Alex Daniels als Verurteilte da. Darwin verkniff sich einen Hinweis auf den Grundsatz »im Zweifel für den Angeklagten« und versprach, sein Bestes zu tun.
    Als er im Begriff stand, seinen TVR Griffith aus dem ArtCare-Parkhaus zu lenken, um in die Copperfield Street zu fahren, traf ihn kurz hinter der Schranke, mitten auf der Ausfahrtrampe, ein Blitz. Ein Geistesblitz. Hinter ihm quietschten Reifen. Er ignorierte es.
    Gerade war ihm eingefallen, woher er den Bariton kannte, dessen Sekretärin ihn im holländischen Arnheim aus dem Bett geklingelt hatte.
    »Lord Malcolm Horace of Witcombe«, flüsterte er. Das Hupen hinter seinem Wagen überhörte er ebenfalls.
    Wenn nicht gerade ein neuer Politskandal anstand – welche das britische Kabinett wie Monsunfälle mit schöner Regelmäßigkeit heimsuchten –, war die Stimme des obersten englischen Staatsbeamten vergleichsweise selten im Rundfunk oder Fernsehen zu vernehmen. Kein Wunder, wenn man so einen Mann nicht sofort an seinem markanten Vibrato wiedererkannte.
    Abermals tutete es hinter Darwin.
    Immerhin hatte ihm der anonyme Anrufer die wahre Identität von Cynthia und Sean O’Connor – Alex’ Adoptiveltern – verraten. Sie waren Mitarbeiter von HUGE gewesen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit gehörten auch die anderen Personen der fröhlichen Anglertruppe zum Team oder zu den Partnern von Human Genetics: Kendish und Jordan.
    Während Darwins Hintermann die Fahrertür öffnete, um seinen Unmut persönlich kundzutun, knüpfte er das letzte Glied an seine Gedankenkette.
    Julian Kendish und Jack, der Sohn des Militärarztes James Jordan, waren beide von Martin Cadwell eingestellt worden.
    Gerade wollten die Fingerknöchel eines Außendienstmitarbeiters mit Ingrimm gegen die Seitenscheibe des vermeintlich eingeschlafenen Fahrers hämmern, als Darwin aufs Gaspedal drückte. Der Griffith schoss davon und verschwand, ehe der Wüterich auf der Rampe auch nur »Schnarchnase!« rufen konnte, im Straßenverkehr.
    Einem Impuls folgend, rief Darwin die Auskunft an und ließ sich mit der Slade School of Fine Art verbinden. Im Sekretariat der Kunsthochschule meldete sich eine piepsige Stimme mit dem sperrigen Namen Helen Callison-Ferguson. Er fragte sie nach einem ehemaligen Studenten namens Martin Cadwell. Die Sekretärin antwortete ihm freundlich, aber bestimmt, dass solche Auskünfte nicht am Telefon erteilt würden.
    »Dr. Cadwell ist Vorstandsvorsitzender von ArtCare, und ich bin einer seiner leitenden Angestellten. Wir planen eine Überraschung. Bitte machen Sie eine Ausnahme«, bettelte

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