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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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der zungenbrecherische Name. »Cadwell besaß bereits einen Doktortitel, als er sich hier immatrikulierte.«
    »Das heißt, er hat zwei Hüte?«
    »Zwei Hüte…?«, murmelte Darwin. Er musste unwillkürlich an Magrittes Unachtsamen Schläfer denken.
    »Darwin?«
    »Äh, ja. Ich bin noch da. Laut den Unterlagen vor meiner Nase hat Thorgrim Gunnarsson alias Martin Cadwell einen akademischen Grad in Biologie.«
    »Seltsame Kombination?«, murmelte Longfellow.
    »Er hat so viele Akte in seinem Büro«, dachte Darwin laut nach. »Vielleicht sind die ja nicht allein aus künstlerischem, sondern auch aus anatomischem Interesse entstanden. Wie bei Leonardo da Vinci. Der war von den Proportionen des menschlichen Körpers auch ganz fasziniert und soll so manchen Zeitgenossen auseinander geschnitten haben. Wissen Sie, was mir gerade durch den Kopf geht, Mortimer?«
    »Nun reden Sie schon!«
    »Cadwell hat Julian Kendish eingestellt, der mit einiger Sicherheit früher in einem humangenetischen Forschungsinstitut gearbeitet hat. Ich dachte bislang, James Jordan wäre vielleicht über Kendish in die Firma gekommen. Aber wenn Dr. Thorgrim Gunnarsson Biologe war…«
    »… dann könnte er ebenfalls bei HUGE beschäftigt gewesen sein«, vollendete Longfellow den Satz.
    Darwin nickte, ohne sich der Unnötigkeit der Geste bewusst zu sein. »Haben Sie schon bei der Army angefragt, ob es Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger ein militärisches Forschungsprojekt bei HUGE gegeben hat?«
    »Klar haben wir das. Die Antwort können Sie sich an Ihren Fingern ablesen.«
    » › Kein Kommentar. ‹ «
    »Der Kandidat hat hundert Punkte.«
    »Vielleicht sollten wir unseren neuen Verbündeten einschalten.«
    »Den Lordkanzler? Ehe ich das tue, versuche ich erst mal an ein paar anderen Schräubchen zu drehen.«
    »Tun Sie das, Mortimer. Aber bitte tun Sie es schnell!«
     
     
    Als Darwin am späten Vormittag in der Copperfield Street eintraf, verdrückten die Zivilbeamten in ihrem m etallicgrauen Vaux hall gerade Hamburger. Er grüßte die Beschützer von Alex, die zugleich auch ihre Bewacher waren. Wie Darwin den Detective kannte, wurde das Gebäude mit Sicherheit auch von der rückwärtigen Seite beobachtet.
    Er besaß einen Zweitschlüssel zu seinem Elternhaus, den er aber nur benutzte, wenn Lucy unterwegs war. Um diese Zeit arbeitete sie. Daher holte er ihn aus der Tasche. Ihm war nicht wohl bei dem, was er vorhatte, aber die Körnchen rieselten unbarmherzig durch die Sanduhr seines Schicksals. Als er Alex am vergangenen Abend zum letzten Mal gesehen hatte, schien sie sich wie eine Seidenraupe in einen Kokon eingesponnen zu haben. Welche Metamorphose sie auch immer zur Zeit durchmachte, er konnte nicht warten, bis der Schmetterling schlüpfte.
    Also schloss er die Haustür auf.
    »Alex! Ich bin’s, Darwin«, rief er, noch ehe sein Fuß die Diele betreten hatte. Er wollte ihr den Schreck ersparen, plötzlich einem unangemeldeten Besucher gegenüberzustehen. Das einzige Geräusch, das er vernahm, stammte von der hinter ihm ins Schloss fallenden Tür.
    »Alex! Wo bist du?« Er bemerkte einen drängenden Unterton in seiner Stimme, der sich seiner Kontrolle entzog. Wie lange war es her, seit sie entführt worden war? Auf den Tag genau eine Woche?
    Er stürzte durch die Diele in den Wohnraum. Niemand zu sehen. Lief in die Küche. Auch die war leer. Bei der Militärpolizei hatte er einige haarige Situationen erlebt, aber selten solche Panik gespürt wie in diesem Augenblick. Er lief in die Diele zurück und schickte lautstark Alex’ Namen die Treppe hinauf.
    Aber im Haus herrschte Grabesstille.

 
    Kapitel 17
     
     
     
    »Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter als durch das, was sie lächerlich finden.«
    Johann Wolfgang von Goethe
     
     

    LONDON (ENGLAND),
    Dienstag, 16. Oktober, 11.08 Uhr
     
    Die Stimme kam aus weiter Ferne. Alex hielt das Rufen immer noch für einen Teil des Albtraumes. Sie warf den Kopf auf die andere Seite. Die Kühle des Kopfkissens belebte ihre Sinne ein wenig mehr. »Alex! Wo bist du?«
    Darwin? Hörte sie seine Stimme? Hier in Theos Kerker? Unvermittelt fuhr sie aus dem Bett hoch. Sie war gar nicht mehr im Haus ihres herzallerliebsten »Bruders«. Schlagartig kehrten die Erinnerungen zurück…
    Theo hatte mit dem flachen Paket in der Tür gestanden, seltsam schief, wie ihr im Nachhinein bewusst wurde. Erst allmählich war ihr klar geworden, dass er verletzt sein musste, so wie er seinen

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