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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Allerheiligste.
    Darwin schob Alex behutsam in Richtung Büro und flüsterte: »Lass dich von seiner väterlichen Art nicht täuschen. Er ist gefährlich.«
    Nachdem der Detektiv von Southwark aus mit seinem Chef telefoniert hatte, war er sofort zu einer Krisensitzung einbestellt worden. Dabei hatte Cadwell ausdrücklich auch die Anwesenheit von Darwins Chefberaterin verlangt. Vorne und hinten von Polizeifahrzeugen eskortiert, war der grüne Griffith darauf in die City von London gefahren.
    Alex fühlte sich unwohl, als sie das Büro betrat. Sie trug immer noch die Jeans, die Detective Superintendent Longfellow ihr hatte besorgen lassen, dazu das Khakihemd von Darwin und eines seiner Sakkos, bei dem sie die Ärmel hochgekrempelt und den Kragen angestellt hatte.
    Cadwell stand mit dem Rücken zur Tür, den Telefonhörer in der Hand. Aus den Satzfetzen zu schließen, die Alex aufschnappen konnte, sprach er mit einem Kunden, dem die unfreiwillige Publicity der Versicherung nicht gefiel. Sie verspürte einen unerklärlichen Schauer, als sie ihn von hinten sah: groß, volles graues Haar, für einen Sechzigjährigen bewundernswert schlank. Er trug einen dunkelblauen Anzug und dazu ein strahlend weißes Hemd.
    »… dessen können Sie versichert sein, Professor Aguiar. Sie werden sehen, Ihre Entscheidung, die Verträge vorerst nicht zu kündigen, war richtig. – Ja. – Verbindlichsten Dank, Professor. Alles Gute und auf Wiederhören.«
    Als Cadwell sich vom Fenster abwandte, um den Hörer aufzulegen, durchfuhr es Alex wie ein Stromschlag. Dieses Gesicht – es war älter geworden, aber sie kannte es.
    Obwohl Darwin hinter ihr stand, musste er ihre plötzliche Anspannung bemerkt haben. »Sieht ein bisschen aus wie David Bowie, stimmt’s?«, flüsterte er.
    Cadwell umrundete seinen spiegelnden schwarzen Granitschreibtisch und kam direkt auf Alex zu. Obwohl er verhalten lächelte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. »Guten Tag, Ms Daniels. Ich war schon sehr gespannt, Sie endlich kennen zu lernen.«
    Sie schüttelten sich die Hände. Es kam Alex so vor, als glühte seine Rechte, aber dann wurde ihr bewusst, dass ihre Hand nur eiskalt war. Cadwell führte seine Gäste an den Statuetten vorbei zum Konferenztisch. Er hatte sich das Kopfende der Tafel vorbehalten, Darwin und Alex nahmen beiderseits von ihm Platz.
    »Gefallen Ihnen die Plastiken?«, fragte er die Besucherin.
    Aus irgendeinem Grund kam ihr die ganze Situation surreal vor. Es kostete sie große Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, als sie antwortete: »Sie erinnern mich an Figuren, die ich neulich erst gesehen habe. Ich hörte, Sie modellieren selbst…?«
    »Sagen wir, ich habe mich bildhauerisch betätigt. Nichts ist faszinierender als die vollkommenen Proportionen des menschlichen Körpers, finden Sie nicht auch?«
    Alex brachte keine Antwort heraus.
    Cadwell hob die Schultern und gönnte sich ein kleines Lachen. »Leider hat man als Vorstandsvorsitzender eines bedeutenden Unternehmens wenig Zeit, um seiner eigentlichen Passion zu frönen. Kaffee?«
    Sie blinzelte. »Tee, wenn es keine Umstände macht.«
    »Überhaupt nicht. Reena hat für alles vorgesorgt.« Er deutete auf ein Tablett mit zwei Kannen und Tassen.
    Nachdem Darwin die Getränke eingeschenkt hatte, sagte Cadwell: »Ich höre, Sie haben Schlimmes durchgemacht. Wie geht es Ihnen?«
    Hatte sie da gerade einen Unterton echter Besorgtheit vernommen? Von Darwin wusste Alex, wie dessen Chef über sie sprach. Dementsprechend unterkühlt fiel ihre Antwort aus.
    »Danke. Abgesehen davon, dass meine Garderobe vorletzte Woche abgebrannt ist und ich nichts zum Anziehen habe, weil ich einfach nicht zum Einkaufen komme, könnte es mir kaum besser gehen.«
    Cadwell schmunzelte. »Sind Sie eine unverwüstliche Optimistin oder eine Zynikerin?«
    »Ich finde es gerade heraus.« Sie nahm ihre Tasse in die Hand und blies hinein. Über den Rand musterte sie sein Gesicht.
    Darwin schien die angespannte Stimmung zu spüren, jedenfalls sagte er förmlich: »In den nächsten Tagen gibt es eine Menge zu tun, Martin.«
    Cadwells Miene verriet Skepsis. »Erklären Sie mir bitte genau, wie Sie zu Ihrer Schlussfolgerung gekommen sind.«
    Der Versicherungsdetektiv schritt noch einmal die Meilensteine der bisherigen Museumseinbrüche ab, wobei er besonderes Gewicht auf den weltanschaulichen Hintergrund der einzelnen Aktionen legte. Zuletzt wiederholte er in Kurzform seine zuvor beim Frühstück geäußerten

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