Die Galerie der Lügen
Ihnen im Namen der Repubblica Italiana für Ihren Einsatz danken. Die paar Ungereimtheiten klären wir später.«
»Was für Ungereimtheiten?«
»Die Täterin muss sehr intime Kenntnisse unseres Einsatzplanes besessen haben. Sie wusste genau, wie sie die Erstürmung der Accademia mit einem irreführenden Funkspruch hinauszögern konnte. Sie hat unsere Frequenzen lahm gelegt, die Energieversorgung des Museums. Nur ArtCare wusste um alle diese Dinge.«
»Was wollen Sie damit andeuten?«, knurrte David.
Mello lächelte süffisant. »Nichts, Mr Shaw. Gar nichts. Aber Sie kennen das Verfahren. Es ist auf der ganzen Welt ähnlich. Offene Fragen verlangen eine Klärung. Jetzt lassen Sie sich erst einmal ordentlich verarzten, über alles andere reden wir zur gegebenen Zeit.«
Der Kommandant lüpfte die Mütze und zog mit seinem Gefolge von dannen.
Darwin schüttelte fassungslos den Kopf. »Der arrogante Wicht glaubt tatsächlich, ich stecke mit dem › Gehirn ‹ unter einer Decke.«
Alex reagierte nicht. Sie hatte die unverschämte Anschuldigung nur am Rande mitbekommen, weil ihre Gedanken sich um eine ganz andere Frage drehten. Darwin stupste sie an.
»He, Partner. Was ist mit dir?«
Sie blinzelte. »Ist dir auch aufgefallen, dass Mello von einer › Attentäterin ‹ gesprochen hat. Er sprach von ihr wie von einer Frau.«
»Stimmt.« Darwin hob die Schult ern. »Und wenn schon. Theo ist d och wie du ein…«
Sie legte ihm rasch die Hand auf den Mund und bewegte ihr Gesicht nahe vor das seine. »Noch lauter kannst du das wohl nicht herausschreien.«
»‘tschuldige«, murmelte er unter ihren Fingern.
Sie gab ihm wieder Luft und drehte sich zu der Plane um, unter der die Hand hervorlugte. Eine Sekunde lang versuchte sie sich den zerrissenen Torso vorzustellen: den Kopf, die Schultern – waren die Erhebungen, die sie da sah, weibliche Brüste? Sie kniff die Augen zusammen. Unsinn! Ihre Fantasie spielte ihr Streiche. Was nach der verheerenden Explosion von dem Oberkörper der Einbrecherin noch übrig war, konnte vermutlich nur ein Pathologe noch identifizieren. Andererseits… Irgendetwas musste Mello ja zu seiner Beurteilung veranlasst haben.
»Worüber denkst du nach?«, fragte ihr Partner.
Sie wandte sich ihm wieder zu und schob ihren Mund dicht vor sein Ohr. »Theo ist unten herum ein Mann. Außerdem hat er noch flachere Brüste als ich.«
Darwin sah sie überrascht an. »Was heißt hier flach?«
»Du weißt genau, was ich meine.« Alex deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Wenn Mello einen berechtigten Grund hat, diese Person als Frau zu bezeichnen, dann war sie mit ziemlicher Sicherheit nicht Theo.«
»Naja, im Louvre hat das › Gehirn ‹ auch eine Komplizin über die Klinge springen lassen. Müssen wir uns jetzt darüber den Kopf zerbrechen?«
Sie blickte erneut zu der Hand unter der Plane. »Ich weiß nicht. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dieser ganz Albtraum ist noch nicht vorbei.«
Kapitel 24
»Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
Jean-Paul Sartre
FLORENZ (ITALIEN),
Montag, 22. Oktober, 8 .55 Uhr
Die gleiche Szene. Nur die Rollen waren vertauscht. Alex saß an Darwins Krankenbett und tätschelte seine Hand. Es war der Morgen nach dem Bombenanschlag. Der »tragische Held« – so bezeichnete er sich selbst im Laufe seines Berichtes vom vergangenen Abend – war ins Ospedale di Santa Maria Nuova eingeliefert worden, eine Klinik im historischen Zentrum von Florenz. Das Hospital lag nur wenige Krankenwagenminuten von der Galleria dell’Accademia entfernt.
»Wir sollten das nicht zur Gewohnheit werden lassen«, sagte Alex laut. Darwin hatte immer noch ein ständiges Summen im Ohr, das erst einmal übertönt sein wollte. Er sah sie fragend an.
»Die gegenseitigen Besuche im Krankenhaus«, erklärte sie. Er lächelte. »Wenn’s nach mir ginge, wäre ich schon längst wieder draußen.«
»Geht es aber nicht. Außerdem bezweifle ich, dass der angeblich zu deinem Schutz abgestellte Carabiniere draußen auf dem Flur dich so einfach gehen lassen würde.«
Darwin drehte seinen Kopf kurz zur Tür, als könne er hindurchsehen. »Mello ist ein Dummkopf.«
»Er misstraut dir, weil du neuerdings den Ruf eines religiösen Eiferers hast.«
Er verzog den Mund. »Dank deiner › Galerie der Lügen ‹ , Partner.«
»Ich hatte dich gewarnt, Darwin. Alles ist eingetroffen: man hat versucht, deinen Ruf zu zerstören, dir unlautere
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