Die Galerie der Lügen
ignorieren. Wenn ihnen ein Fossil in die Finger gerät, das den postulierten evolutionären Wandel nicht belegt, wird es als wertlos oder atypisch zur Seite gelegt und oft nicht einmal veröffentlicht. Ähnlich verfährt man in anderen Disziplinen. Dadurch – nicht durch die Vorstellung von einem intelligenten Designer – wird die Forschung in Wirklichkeit beschnitten.«
»Aber wirft man nicht gerade den Kreationisten die Gefährdung der Forschung vor?«
»Sicher. Einige von ihnen versuchen tatsächlich mit allen Mitteln, den Darwinisten das Wasser abzugraben. Aber die Verallgemeinerung ist reine Propaganda. Würde man sie zulassen, dürfte man mit gleichem Recht die Betrügereien einiger darwinistischer Schlitzohren zum Wesensmerkmal all ihrer Genossen erheben.«
»Wenn du entscheiden könntest: Was schlügest du vor?«
»Einen freien und fairen Wettbewerb der Theorien. Ich bin überzeugt, die Wahrheit würde ziemlich schnell über den Irrtum triumphieren.«
Darwins Zwerchfell hüpfte. »In den letzten Tagen habe ich mich oft gefragt, wie viel einigen meiner Mitmenschen tatsächlich an der Wahrheit liegt. Ich glaube, manche hätten uns beide am liebsten auf dem Scheiterhaufen gesehen.«
»Vielleicht liegst du damit gar nicht so verkehrt. Einstein bemerkte mal, dass wir von Galileis Zeit nicht so weit entfernt sind, wie wir gerne glauben möchten. Die Scheiterhaufen der Gegenwart sind nur schwerer auszumachen, weil sie mit dunkler Flamme brennen.«
Er schmunzelte. »Ich sehe schon, wenn man dich beim Schreiben unterbricht, sprudeln aus dir lauter Aphorismen hervor.«
»Ich kann’s auch ganz banal ausdrücken: Sobald ein Forscher eine Macht jenseits der Natur ins Spiel bringt, wird ihm die Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Absurd, wenn man bedenkt, dass der Absolutismus des materialistisch-naturalistischen Weltbildes erst wenige Jahrzehnte alt ist. Der Großteil der Grundlagenforschung in den letzten zweieinhalb Jahrtausenden wurde von gläubigen Denkern geliefert.«
»Hältst du denn einen fairen Wettbewerb der Weltbilder irgendwann für möglich?«
Sie verzog die Mundwinkel. »Vorerst würde ich mich damit begnügen, dass sich die Kontrahenten gegenseitig mit etwas mehr Respekt behandelten. Wenn allerdings prominente Darwinisten pauschal solche Menschen, die nicht an die Evolution glauben, als unwissend, dumm oder geisteskrank abstempeln, dann läuft das wohl eher aufs Gegenteil hinaus. Ich meine, die Achtung vor der Würde des anderen ist ein Gut, das nie leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf, wie hart eine Auseinandersetzung in der Sache auch immer sein mag.«
»Du hörst dich an, als sprächest du von gegnerischen Feldherren, die vor der Schlacht nette Grußbotschaften austauschen?«
»Ich finde, das ist zu wenig. Religion und Wissenschaft sind keine Feinde, sondern zwei verschiedene Sichtweisen unserer Welt, die sich ergänzen können. Oder wie Albert Einstein es 1930 mal in der New York Times ausdrückte: › Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind. ‹ Hier wie da erscheint mir auf jeden Fall etwas mehr Demut angebracht.«
»Demut? Inwiefern?«
»Im Hinblick auf das eigene Überlegenheitsdenken. Egal ob in Wissenschaft, Religion, Politik, Wirtschaft oder sonst wo, wie oft haben sich führende Köpfe schon geirrt! Und – bei allem lobenswerten Fortschritt – wie viele Probleme haben wir ihnen zu verdanken? Sollte man da wirklich denen vorbehaltlos vertrauen, die uns glauben machen wollen, das Stadium der endgültigen Wahrheit sei erreicht? «
»Du meinst, in Bezug auf die Kräfte der Natur, die allein für alles verantwortlich sein sollen, was war, was ist und was jemals sein wird? «
»Du kannst ja auch poetisch sein«, lächelte Alex, wurde jedoch gleich wieder ernst. »Glaube als Ende der Wissenschaft ist ein naturalistisches Schreckgespenst, Darwin. Religiöse Menschen können mit denselben wissenschaftlichen Methoden an der Erkenntnisgewinnung arbeiten wie Atheisten. Warst du jemals im Cavendish Laboratory für Physik in Cambridge?«
»Nein. Wieso?«
»James Clerk Maxwell hat über der Tür des Laboratoriums Worte aus dem einhundertundelften Psalm meißeln lassen: › Groß sind die Werke des Herrn, zu erforschen von allen, die sich an ihnen freuen. ‹ Es mag dich überraschen, aber die größte Fraktion der Naturwissenschaftler, die an einen intelligenten Konstrukteur des Universums glauben, sind die Physiker.«
»Und womit hängt das
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