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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bevor stand, durften die Leihmütter ihre Kinder behalten – die Eltern von Terri Lovecraft seien so ein Fall gewesen. Einige Mitarbeiter aus dem Labor bewarben sich um einen Klon. Die meisten Paare waren Bürger des Vereinigten Königreichs, aber auch etwa eine kleine Zahl von Adoptionsanwärtern aus anderen europäischen Ländern wurden mit Nachwuchs aus der Retorte beglückt. Alle Kandidaten hatten eine Gemeinsamkeit: Ihr Kinderwunsch war verzweifelt genug, um jede Erfüllung zu akzeptieren, selbst die durch einen kleinen Hermaphroditen.
    Ach ja, und dann gab es da noch einen Formalismus, dem sich alle zu unterwerfen hatten: den Fragebogen. Ziel des Instituts war es, die Entwicklung ihrer Schöpfungen zu beobachten. Einige der Kinder sollten völlig unverändert aufwachsen, andere die zur damaligen Zeit gängigen Prozeduren absolvieren: chirurgische Eingriffe, die Prägung auf ein spezifisches Geschlecht. Die Bewerberpaare wurden so ausgewählt, dass eine möglichst gleichmäßige Verteilung aller Konzepte erreicht wurde. Danach gab man ihnen weitgehende Freiheit in der Aufzucht ihrer Kinder. Die einzige Bedingung, die Gunnarsson stellte, waren regelmäßige medizinische Untersuchungen.
    Auf diese Weise konnte man weiterhin Daten für die Wissenschaft sammeln. Eines Tages, so hoffte man offenbar, werde die humangenetische Forschung ihre Ketten sprengen und dann habe der die Nase vorn, der auf diesem Gebiet die meiste Erfahrung besitze: HUGE.
    Lord Witcombe seufzte. Sein Blick wanderte wieder zu Alex’ Gesicht. »Vor ein paar Wochen war das Klima für derartige Vorhaben tatsächlich noch sehr freundlich. Allerdings scheint die Gesetzgebung darauf hinauszulaufen, dass es keine Amnestie für die Sünden der Vergangenheit geben soll. Ich lehne mich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich annehme, dass einige Verantwortliche bei HUGE plötzlich kalte Füße bekommen haben. Um den Vorsprung auf dem Gebiet des reproduktiven Klonens von Menschen zu behalten und weiter auszubauen, durfte man sich keinen Skandal erlauben. Folglich musste die Vergangenheit ausgelöscht werden.«
    »Sie meinen, die Klone mussten ausgelöscht werden«, wagte Alex zu präzisieren.
    Der Minister nickte. Sein Gesicht wirkte versteinert. »Ich kann das nicht mit Sicherheit sagen, meine Liebe, aber vermutlich haben die Hüter des dunklen Erbes von HUGE auch Ihre Freundin auf dem Gewissen, die Reporterin Susan Winter. Sie war den beiden anderen Herren hier in der Runde offenbar um eine Nasenlänge voraus. Und das hat sie das Leben gekostet.«
    Darwin glaubte zu bemerken, wie Alex für einen Moment erzitterte. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. »Eins verstehe ich nicht«, sagte sie. »Ich kenne inzwischen die heutige Identität von Thorgrim Gunnarsson. Es ist niemand anderer als Mr Shaws oberster Chef, der Vorstandsvorsitzende von ArtCare. Und Martin Cadwell kennt mich. Wir hatten sogar eine lebhafte Diskussion miteinander. Wieso lebe ich noch?«
    »Soweit mir bekannt ist, haben Sie drei Anschläge überlebt.«
    »Die Messerattacke von Mrs D’Adderio zählt nicht. Sie ist aus rein persönlichen Motiven auf mich losgegangen.«
    »Bleiben immer noch zwei Mordversuche. In der kurzen Zeit, die Ihren – verzeihen Sie das hässliche Wort – Erfindern blieb, ist das eine ganze Menge. Übrigens habe ich nicht gesagt, dass Cadwell persönlich irgendwelche Killer auf die Opfer gehetzt hat. Vielleicht sitzt er nur in Warteposition auf dem Vorstandssessel von ArtCare, um nach Verabschiedung des neuen Gesetzes wieder das Ruder bei HUGE zu übernehmen.«
    Darwin horchte auf. »Kann er das denn? Ich meine, er ist ja inzwischen ein Vierteljahrhundert aus dem Wissenschaftsbetrieb heraus.«
    Witcombe deutete mit dem Stiel der Pfeife auf ihn. »Wissen Sie, was er all die Jahre hindurch hinter den Kulissen getrieben hat? Außerdem verlangt die Leitung einer Biotech-Firma ohnehin eher betriebswirtschaftliche Fähigkeiten, und die scheint Ihr Boss durchaus zu besitzen.«
    »Sie haben da eben einen Zeitdruck erwähnt, Mylord«, sagte Alex. »Das kann ich irgendwie nicht nachvollziehen. Wer immer bei HUGE das Feld für den neuen Aufschwung pflügen und die alten Klamotten herauslesen will – warum haben diese Leute mich nicht schon viel früher aus dem Weg geräumt?«
    »Ihre Adoptiveltern waren, wie erwähnt, meine – « Witcombe malte mit den Fingern Anführungsstriche in die Luft –, »Spione. Ich habe ihnen eine neue Identität verschafft. So kamen

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