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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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unterfüttert werden konnte, besaß er immer noch Macht, und davon offenkundig nicht zu wenig. Natürlich war ihr dazu sofort ein Zitat eingefallen. Es stammte von Friedrich Nietzsche und lautete: »Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen.«
    Alex stieg auf Höhe des Richmond Parks um. In einem geschlossenen Mannschaftswagen setzte sie die Fahrt in südwestlicher Richtung fort. Sie sah sich von Männern in schwarzen Kampfanzügen umringt, die sich nur wenig von ihren italienischen Kollegen unterschieden. Neugierig wurde sie gemustert. Vermutlich kam es nicht alle Tage vor, dass eine Blondine sie in den Einsatz führte.
    Während sie die in ihrem Gedächtnis gespeicherten Ortsdaten abrief und den Kordon in westlicher Richtung aus London herausführte, schweiften ihre Gedanken immer wieder zu Theo ab. Hatte er sie benutzt, obwohl er genau wusste, dass er sie später töten würde? Die Symbole aus Magrittes Unachtsamem Schläfer, auf die sie erst Darwin aufmerksam gemacht hatte, waren in dieser Hinsicht ziemlich eindeutig: ein Stein, der wie eine Grabplatte aussah, ein Himmel, der jedem Klischee von einer Beerdigung zur Ehre gereichen würde, und eine hölzerne Kiste, die sich selbst der fantasieloseste Geist als Sarg vorstellen konnte.
    Der Geruch des Todes hing über der morgendlichen Operation.
     
     
    Nach etwa achtzehn Meilen erreichte das Einsatzkommando die Gegend von Oxshott, südwestlich der britischen Hauptstadt. Hier gab es mehrere Waldgebiete und Parks.
    Als sie die Einfahrt zu einem Privatgrundstück passierten, sagte Alex: »Jetzt scharf rechts.« Sie hatte die ganze Zeit nicht aus dem Fenster gesehen.
    Colonel Colin McCauley, der den Einsatz leitete, ließ die Wagenkolonne nicht sofort anhalten, um kein Aufsehen zu erregen. »Sind Sie sicher?«, fragte er.
    »Hundert Prozent«, erwiderte Alex.
    Er nickte. »Gut. Wir fahren ein Stück weiter und verstecken die Fahrzeuge. Dann beginnt unsere Arbeit.«
    Der Plan sah vor, das Gebäude zunächst zu stürmen und zu sichern. Um sich nicht in die Karten sehen zu lassen, wurde dieser Teil der Operation von einem Kameramann der Spezialeinheit festgehalten und würde den Medien später in ausgewählten Sequenzen zur Verfügung gestellt werden. Erst wenn keine Gefahr für Zivilisten bestand, sollte die Pressemeute auf ihre Kosten kommen und den Minister sowie den Chef von ArtCare bei ihren Statements fotografieren und filmen und alles andere tun, was eine informationshungrige Öffentlichkeit von ihnen erwartete. Nach Möglichkeit wollte man live von der Rettung der gestohlenen Gemälde berichten.
    In ihrer Rolle als Spürhund durfte Alex die Männer der Anti - Terror-Einheit begleiten, wenngleich man ihr einschärfte, sich im Hintergrund zu halten. Mit einer kugelsicheren Schutzweste bekleidet bahnte sie sich wenig später ihren Weg durch das Dickicht der Oxshott Heath. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Im Wald herrschte ein trügerisches Zwielicht, das aus verkrüppelten Bäumen Albtraumgestalten machte. Alex konnte fühlen, dass Theos Landhaus höchstens eine halbe Meile vor ihr lag. Colonel McCauley blieb immer dicht an ihrer Seite. Die Männer der ersten Sturmreihe schlichen etwa einen Steinwurf weit vor ihnen lautlos über Laub und trockene Zweige hinweg. Nach einiger Zeit hörte sie leise Stimmen, die aus McCauleys Headset drangen.
    »Okay. Ich will einen lückenlosen Ring um das Gebäude. Aber bleiben Sie in Deckung! Ich komme nach vorn, um mir selbst ein Bild zu machen«, antwortete der Kommandeur. Sein schwarz bemaltes Gesicht wandte sich Alex zu. »Alles okay?«
    Sie nickte. »Ja.«
    »Ich möchte, dass Sie jetzt einen Blick auf das Gebäude werfen. Nur damit wir kein falsches Haus stürmen – stellen Sie sich vor, Sie würden morgens aufwachen und ein schwarz geschminkter Mann in Sturmausrüstung stände neben Ihrem Bett.«
    »In letzter Zeit habe ich ganz andere Sachen erlebt. Bringen wir es hinter uns.« Das Herz klopfte ihr bis in den Hals.
    McCauley wiederholte noch einmal ein paar Sicherheitsanweisungen, die sie sich schon vor zwei Stunden hatte einprägen müssen. Einige weitere zähe Minuten fl o ssen dahin, während die Anti-Terror-Einheit das Haus umzingelte. Nachdem alle ihre Positionen bezogen hatten, schlich McCauley mit Alex zur vordersten Linie.
    Zwischen den Zweigen einer Hecke hindurch erblickte sie einen kiesbestreuten Platz, in dessen Mitte sich ein ungepflegtes Rosenbeet

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