Die Galerie der Lügen
Applegate-Fairbairn, Modell 12. Ein Kampfmesser mit Kydex-Scheide, glasfaserverstärktem Kunststoff-Griff und integrierten Edelstahlgewichten. Die Standardwaffe des Special Air Service.«
»Denken Sie, ein Spezialist der SAS hat die Gasexplosion bewerkstelligt? «
Alex wandte sich Darwin zu. Dessen Gesicht wirkte beunruhigt. »Worüber denkst du nach?«, fragte sie.
»Ich habe da so einen Verdacht, wer dieser SAS-Mann sein könnte«, antwortete er.
»Nämlich?«
»Lass mir noch ein bisschen Zeit. Ich will keine voreiligen Beschuldigungen aussprechen.«
Lord Witcombe hatte ein Pfeifenbesteck aus seiner Jackentasche gezogen und stocherte damit in der Asche des Kolbens herum. Ohne von seiner Arbeit aufzublicken, sagte er: »Vielleicht werden wir morgen Früh die Wahrheit erfahren – nachdem uns Ms Daniels zu Theos Refugium geführt hat.«
Kapitel 27
»An sich ist nichts weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu.«
William Shakespeare
LONDON (ENGLAND),
Dienstag, 23. Oktober, 6.03 Uhr
»Sie sind sich doch klar darüber, dass Sie sich selbst belasten, wenn Sie das Haus von Mr Kendish finden«, sagte Longfellow. Er lenkte das Führungsfahrzeug durch die gerade erst einsetzende Dämmerung. Alex saß neben ihm und glaubte sich verhört zu haben.
»Was soll das, Mortimer?«, ergriff Darwin von der Rückbank aus für sie Partei.
Der Kriminalbeamte hob die Hände vom Lenkrad und ließ sie wieder darauf niederfallen. »Ich sage ja nicht, dass ich ihr misstraue, aber sie hat nun mal zu Protokoll gegeben, sie sei mit verbundenen Augen und mit einem Walkman zu dem geheimen Schlupfwinkel des Entführers gefahren worden.«
Alex spürte Zorn in sich aufsteigen. Alles, was sie für ihre Hilfe bekam, waren ständige Verdächtigungen. »Mit einem MP3-Player«, knurrte sie.
»Was?« Longfellow sah sie verständnislos an. »Es war kein Walkman, sondern ein iPod Shuffle, ein digitaler Musikspeicher ohne bewegliche Teile.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Ja, weil Sie mir nicht zuhören. Ich habe Ihnen auch gesagt, wie ich das Haus finden will.«
Longfellow bleckte die Zähne. »Allerdings. So wie eine Brieftaube.«
Darwin hüstelte im Fond.
Alex verdrehte die Augen. Ermittler waren doch alle gleich. »Ich bin kein Täubchen, sondern eher eine Bazille. Ein paar meiner Körperzellen sind bestimmten Bakterien ziemlich ähnlich. In ihnen befinden sich Magnetosomen aus membranumhülltem Magnetit. Irgendwie helfen sie mir, mich zu orientieren.«
»So lange keiner ein Handy oder einen Störsender in ihrer Nähe anschaltet«, erläuterte Darwin von hinten.
Der Kommissar hieb abermals aufs Lenkrad. »Ist ja schon gut. Hauptsache, Sie führen uns zu den gestohlenen Gemälden.«
Eine kurze Zeit lang herrschte Schweigen im Wagen. Alex fragte sich, ob Longfellow mit seinem Hinweis, sie würde sich durch das Finden von Theos Haus verdächtig machen, nicht Recht hatte. Trotzig verschränkte sie die Arme über der Brust und sagte: »Wissen Sie was, Superintendent? Verbinden Sie mir einfach die Augen!«
Der Blick des Beamten sprang zwischen der Straße und dem Gesicht seiner Lotsin hin und her. »Was soll ich tun?«
»Ist mir sowieso lieber«, erklärte Alex. »Der Verkehr und Ihr gemeingefährlicher Fahrstil lenken mich nur ab.«
Longfellows Augen drohten ihm aus den Höhlen zu kullern. »Ich soll…«
»Mortimer«, fuhr Darwin dazwischen. »Tun Sie ihr doch einfach den Gefallen.«
»Aber ich habe nichts, um ihr die Augen zu verbinden.«
»Dann halten Sie bitte an. Ich steige zum Sonderkommando in den Wagen«, beschied Alex.
Im Schlepptau des Führungsfahrzeuges folgten zwei Mannschaftswagen und ein Ausrüstungs-Lkw einer Anti-Terror-Einheit. Außerdem befanden sich, nebst motorisierten Bodyguards, zwei noble Limousinen in der Wagenkolonne – im Bentley saß Lord Malcolm Horace of Witcombe und im Daimler Dr. Martin Cadwell mit seinem Leibwächter. Die Nachhut bildeten einige Fahrzeuge mit handverlesenen Pressevertretern, darunter zwei Fernsehübertragungswagen, einer von der BBC und der zweite von CNN.
Lord Witcombe hatte erklärt, die Rettung einmaliger Kunstschätze dürfe und könne im Medienzeitalter nicht als Nacht-und-Nebel-Aktion vonstatten gehen. Ob der Presseauflauf letztlich der Rettung seiner eigenen Reputation diente oder auf die Intervention Martin Cadwells zurückging, wusste Alex nicht zu beurteilen. Solange der Verdacht gegen den ArtCare-Chef nicht mit Beweisen
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