Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Dach.
    Ein Glöckchen kündete das Erreichen der obersten Etage an. Die Fahrstuhltüren glitten auseinander. Darwin durchquerte mit raumgreifenden Schritten eine großzügige Halle, die von der viktorianischen »Verpackung« der ArtCare-Zentrale wenig erahnen ließ. Nussbaumholz, schwarzer Granit und ein flaches, steingefasstes Goldfischbecken bildeten ein sachlich-elegantes Ambiente, in dem Reena Baker wie eine Lotusblüte in einem japanischen Zen-Garten wirkte.
    Cadwells Vorzimmerdame war nicht eines dieser jungen Dinger, deren ganze Begabung darin bestand, eine gute Figur zu machen, während sie die Kaffeemaschine bedienten, und die sich pausenlos die Fingernägel lackierten. Ein Klischee, dessen war Darwin sich bewusst. Aber er hatte genügend Damen kennen gelernt, die es hingebungsvoll pflegten. Reena war anders. Sie verkörperte das Ideal einer aufopferungsvollen Chefsekretärin. Im oft hektischen Olymp von ArtCare bildete sie den ruhenden Pol, den Schwerpunkt, der scheinbar alles im Gleichgewicht hielt.
    An diesem Morgen trug sie ein schmal geschnittenes Kostüm aus silbrig glänzender Wildseide. Gerüchten zufolge war sie zweiundvierzig, sah aber fast zehn Jahre jünger aus. Ihr mittellanges, an den Spitzen nach innen geföhntes blondes Haar saß wie immer perfekt. Das Make-up war dezent, das Lächeln routiniert.
    »Sie sehen heute Morgen grauenvoll aus, Mr Bond«, begrüßte sie ihn.
    Er grinste. »Was man von Ihnen nicht sagen kann, Moneypenny. Wie schaffen Sie es nur, zu jeder Tageszeit wie aus der Vogue gesprungen auszusehen? «
    »Alter Schwerenöter.« Sie deutete mit dem Daumen zum Allerheiligsten. »Gehen Sie rein. Ich habe Sie dem Doktor bereits avisiert.«
    Darwin klopfte an die Tür, obgleich ihm bewusst war, dass ihre Schalldämmung das Geräusch so gut wie vollständig verschluckte. Dann trat er in Cadwells Büro.
    Die Bezeichnung Luxuskommandozentrale beschrieb den Raum eigentlich treffender. Er war groß wie ein Tanzsaal. Ohne sich gegenseitig ins Gehege zu kommen, verteilten sich darin ein Konferenztisch in Nussbaum für zwölf Personen, zwei Sitzgruppen aus schwarzem Leder und gebürstetem Edelstahl, diverse Plastiken – vorwiegend Akte vollkommener Körper beiderlei Geschlechts –, eine Glasvitrine mit der effektvoll beleuchteten Rüstung eines Samurai sowie ein gigantischer, auf Hochglanz polierter Schreibtisch aus dem gleichen schwarzen Granit wie der Fußboden – das Arbeitsmöbel glich selbst einer kubistischen Installation. Die Wand rechts davon bestand hauptsächlich aus Monitoren mit den Programmen der wichtigsten internationalen Nachrichtensender.
    Cadwell stand hinter seinem Schreibtisch und telefonierte. Die schwere Tür fiel mit leisem Klicken hinter Darwin ins Schloss. Er glaubte rechts von sich jemanden zu spüren; vielleicht hatte er auch den Schatten am äußersten Rand seines Blickfeldes bemerkt. Jedenfalls reagierten seine im Kampfsport trainierten Instinkte, ehe der Verstand die Wahrnehmung einordnen konnte. Darwin fuhr herum – und atmete erleichtert aus.
    »Jack! Sie haben mich erschreckt.«
    Jack Jordan war Cadwells Bodyguard, hätte mit seinen fast sieben Fuß aber auch als Center in der britischen Basketball-Nationalmannschaft eine gute Figur gemacht. Der breitschultrige Riese war in Hongkong als Sohn eines englischen Offiziers und einer chinesischen Mutter zur Welt gekommen. Eigentlich hätte Darwin mit der Anwesenheit des allgegenwärtigen Schattens seines Chefs rechnen müssen, aber der Eurasier schaffte es immer wieder, sich im Hintergrund zu halten und seine Ehrfurcht einflößende Präsenz erst dann auszuspielen, wenn jemand den unsichtbaren Bannkreis betrat, den er um seinen Schutzbefohlenen gezogen hatte.
    Jordans linke Hand befand sich unter seinem Sakko, wo er, wie Darwin wusste, zwei Halfter trug: Das linke beherbergte seine Glock 17, eine Neun-Millimeter-Pistole, die sogar unter Wasser schießen konnte, und in dem rechten befand sich die Lieblingswaffe des Leibwächters, ein schwarzes Appl egate-Fair bane-Kampfmesser.
    »Kleiner Wettkampf, Provost Marshal Shaw?«, fragte Jordan grinsend.
    Darwin legte keinen gesteigerten Wert darauf, mit seinem letzten militärischen Rang angesprochen zu werden, schon gar nicht von Jordan. Er zog sein »SwissFlame« aus der Jackentasche, das Schweizer Messer mit integriertem Feuerzeug, und entfachte die gebündelte blaue Gasflamme. »Hiermit?«
    Der Bodyguard präsentierte seine Handkanten. »Wir könnten’s auf die

Weitere Kostenlose Bücher