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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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werden alles so schnell wie möglich erledigen, und dann komme ich zu dir zurück.«
    Sybils Herzschlag verlangsamte sich ein wenig, als sie ihre Wange gegen die der Mutter drückte. »Und wohin gehen wir dann?« Sie hatte in den letzten Tagen öfters davon geträumt, sie würden in ihr altes Haus zurückkehren und dort zusammen in den warmen kleinen Zimmern leben, die sie so sehr liebte.
    »Dann wird es sicher sein, nach Seir zurückzugehen.«
    »Zurück in unser altes Haus?« fragte Sybil.
    »Wenn es nicht zerstört worden ist, ja.«
    Süße Erinnerungen überfluteten Sybil. Sie legte das Kinn auf die Schulter der Mutter und sah sich selbst, wie sie mit der roten Erde des Gartens spielte, Gehege für ihre Spielzeugmaultiere und -pferde errichtete und Straßen von der einen Seite des Zauns bis zur anderen anlegte. Der warme Wind trug den Duft von Plätzchen heran, die ihre Mutter buk.
    »Wird meine Puppe auch noch dort sein?« fragte sie in plötzlicher Vorahnung. Ihr Großvater hatte ihr diese Puppe geschenkt. Überall in der Stadt wimmelte es von Soldaten. Vielleicht hatten die ja alle ihre Spielsachen gestohlen, vielleicht waren sie aber auch im Feuer der Kanonen zerstört worden. Allein der Gedanke bereitete ihr Bauchschmerzen. »Wird Jennie noch dort sein, Mom?«
    »Ich glaube schon. Aber wenn nicht?« Ihre Mutter zog sie etwas zurück und hob Sybils Kinn, um ihr in die Augen sehen zu können. Sie lächelte. »Dann besorgen wir dir eine andere Puppe, in Ordnung?«
    »Eine neue wäre aber nicht mehr Jennie.«
    »Ich weiß. Es ist schwer, so gute Freunde zu verlieren, nicht wahr? Als ich vier war, hatte ich auch eine Puppe, die ich sehr geliebt habe.«
    »Hast du sie auch von Großvater bekommen?«
    »Ja. Sie hieß Randa. Sie hatte blonde Locken und …«
    »Blond? So wie das Haar von Mr. Baruch?«
    Ihre Mutter drehte sich zu Jeremiel um und lächelte schwach. Er hatte das Kinn in die Hand gestützt und schaute ihnen geduldig zu. »Nein. Randas Haar war anders. Sie war fast weißblond.«
    »So wie das Haar des Mashiah.«
    »Ja«, flüsterte ihre Mutter und schluckte schwer. »Genau wie seins.«
    »Was ist mit ihr passiert?«
    »Oh, sie ist gestorben.«
    »Puppen sterben nicht, Mommy«, meinte Sybil tadelnd. »Sie zerbrechen nur.«
    »Ja, du hast recht. Ihr ist der Kopf abgefallen, und ich habe sie beerdigt, als wäre sie wirklich gestorben. Nein, mach dir keine Sorgen um Jennie. Ich wette, es geht ihr gut.«
    »Ich hab’ dich lieb, Mom.«
    »Ich hab’ dich auch lieb, Kleines.«
    Ein Luftzug ließ das Feuer wild aufflammen, als Avel Harper den Vorhang zurückschlug und den Raum betrat. Auf seiner mahagonifarbenen Haut schimmerte ein leichter Schweißfilm, als wäre er gelaufen, um rechtzeitig einzutreffen. Das Licht sickerte durch sein krauses Haar; es sah aus, als würde er einen brillantenbesetzten schwarzen Heiligenschein tragen. »Es tut mir schrecklich leid, daß ich zu spät komme.«
    »Sie kommen genau zur rechten Zeit«, verbesserte ihn Jeremiel.
    »Tatsächlich? Gut. Der Ehrenwerte Vater hat mich so auf Trab gehalten, daß die Zeit wie im Flug verging.« Er drehte sich um und rief mit seiner tiefen, sanften Stimme: »Sybil? Bist du bereit für deinen Unterricht?«
    Sie nickte und glitt zögernd von der Hüfte ihrer Mutter hinab zu Boden. Rachel kniete sich hin, küßte Sybil auf die Stirn und strich ihr die braunen Locken aus dem Gesicht.
    »Du lernst so viel du kannst, in Ordnung?«
    »Mach ich.« Sybil blickte nachdenklich drein, als ihre Mutter zu Jeremiel zurückging und Avel zu ihr kam, sie bei der Hand nahm und sie zu dem Tisch neben dem Feuer führte.
    Vater Harper legte zwei Bücher auf den Tisch und gab Sybil Papier und einen Stift. Sie nahm die Sachen und hielt sie feierlich in die Höhe. Avel schaute über die Schulter zu Jeremiel und Rachel hinüber, beugte sich dann vor und fragte: »Was stimmt denn nicht? Du siehst traurig aus.«
    Sybils Mund verzog sich zu einem Schmollen. »Es geht mir gut.«
    Er kratzte sich hinterm Ohr, stemmte einen Ellbogen auf den Tisch, stützte die Schläfe gegen die Faust und betrachtete sie forschend. Sybil schaute ihn nicht an, atmete aber seinen Duft ein. Er roch immer nach süßen Gewürzen und dem Rauch der Feuerstellen.
    »Möchtest du darüber reden?«
    »Nein.«
    »Machst du dir Sorgen wegen deiner Mutter?«
    Sie nickte.
    »Das kann man dir nicht verdenken. Ich mache mir auch Sorgen um sie.«
    Sybil betrachtete prüfend sein Gesicht und entdeckte

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