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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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befestigte er das eine Ende des Abhörgeräts an der Wand und steckte sich das andere ins Ohr.
    Rathanials zornbebende Stimme wurde hörbar: »Erzählen Sie mir nichts über Baruchs Warnungen! Die kenne ich besser als jeder andere hier!«
    »Natürlich, Ehrenwerter Vater«, erwiderte ein unbekannter Mann, »ich wollte Sie nicht kränken. Aber Jeremiel hat mich eindringlich angewiesen, nicht einmal einen winzigen Teil des Plans zu ändern, weil sonst alles zusammenbrechen würde. Jeder einzelne Zug sei mit den anderen untrennbar verbunden, meinte er.«
    Eine Pause trat ein. Harper lauschte mit zusammengebissenen Zähnen und fürchtete das Schlimmste.
    Schließlich erklang wieder Rathanials befehlsgewohnte Stimme: »Jeremiel und ich haben die ganze Sache sehr eingehend besprochen, Martin. Ich versichere Ihnen, es ist völlig in Ordnung, diesen winzigen Punkt unserer Strategie abzuändern.«
    »Wie Sie wünschen, Vater. Vergeben Sie mir bitte meinen Ungehorsam.«
    Harper lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand und starrte blicklos in die Dunkelheit. Die Dinge waren schon weiter gediehen, als er erwartet hatte. Er würde schon bald handeln müssen, sonst wäre alles verloren.
    Geräuschlos packte er das Abhörgerät wieder ein und trat auf den schwach erleuchteten Korridor hinaus. Er mußte jetzt eine Reihe geheimer Botschaften aussenden, um seine Verbündeten zu einer Gegenoffensive zu sammeln.
    Er bog um eine Ecke, lief den nächsten Gang entlang und verschwand in einem dunklen Schlafraum.

 
KAPITEL

26
     
     
    Talo hockte in einem dunklen Türeingang, kaute an einem orionischen Pfirsich und schaute auf den Platz hinaus. Die Straßen rings um den Versammlungsort waren von Müll und Trümmern übersät. Zerborstene Balken und zerschmetterte Steine, die von der wilden Schießerei an jenem schrecklichen Morgen vor einem Monat zeugten, waren noch immer überall verstreut. Sehnsüchtig blickte Talo zu der zerstörten Bäckerei hinüber, vor der er früher immer gesessen und die Tauben gefüttert hatte. Jetzt lagen dort aufgedunsene Leichen – die Leichen jener, die versucht hatten, dem Holocaust zu entkommen.
    Talo biß ein weiteres Stück von dem Pfirsich ab. Das blaue Fruchtfleisch troff vor Saft, und bei jedem Bissen liefen klebrige Rinnsale durch seinen Bart und tropften auf die Hose. Sein Gesicht trug Spuren von Ruß, Schmutz und Blut. Rings um ihn bewegten sich Arbeiter im Licht der Morgendämmerung und luden Trümmerstücke auf Karren. Sie waren von den Truppen des Mashiah zusammengetrieben und in Arbeitsgruppen eingeteilt worden … wie lange war das jetzt her? Zwei Wochen? Drei? Er hatte vieles von jenem Tag vergessen, an dem die Marines sein Stadtviertel gestürmt hatten, doch einige Bilder hatten sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt. Die Soldaten hatten die Menschen mit Schlägen zum Gehorsam getrieben und jedes Haus zerstört, in dem sie auch nur ansatzweise auf Widerstand gestoßen waren. Irgend etwas war an jenem Tag geschehen, wodurch sich sein Verstand verwirrt hatte, so als hätte man seinen Schädel mit Wolle ausgestopft. Er erinnerte sich an die Schläge. Nicht sehr gut allerdings, aber das spielte auch keine Rolle. Arbeiten und essen, das war alles, was er tun mußte, um am Leben zu bleiben. Und so stolperten sie auch heute wieder unter der brennenden Sonne umher.
    Er beschirmte seine Augen und sah, wie Sima sich abmühte, den geschwärzten Körper eines Kindes auf den bereits überfüllten Karren zu laden. Als sie die Leiche über ihren Kopf hob, platzte sie auf und ergoß einen Strom bleicher Eingeweide über ihre Arme. Sie stieß einen Schreckensschrei aus und wischte sich hektisch die Arme ab, als würde sie den giftigen Speichel eines Monsters abstreifen.
    Talo senkte den Blick. Sein Herz klopfte schwer. Aus der Gasse hinter ihm erklang die flüsternde Stimme seiner Nichte Myra: »Onkel, die Mittagspause war schon vor einer halben Stunde vorüber. Warum bist du noch immer hier? Du weißt doch, was sie dir antun, wenn sie dich hier finden.«
    »Mein Herz schmerzt«, sagte er und blickte wieder zu Sima, die sich schluchzend gegen den stinkenden Karren lehnte.
    Myra trat neben ihn. Er roch ihren Schweiß und sah, wie ihr Haar im heißen Wind flatterte. Sie trug fadenscheinige blaue Kleidung und ein Kopftuch. Ihr hübsches Gesicht war schmal geworden, und die Wangenknochen stachen wie bei einem Totenschädel hervor.
    »Ich … ich komme mir vergiftet vor«, klagte er leise.
    »Wir sind alle

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