Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
heran, runzelte die Stirn und verzog unbehaglich den Mund. Ein sonderbarer Mann, so unschuldig und schwach. Wie ein Kind. Seine ganze Art drängt mich, ihn vor der Unbill des Lebens zu beschützen. Erinnere dich an den Platz!
»Du möchtest nicht, daß sie die Laken wechseln?«
»Das ist es nicht … genau. Die meiste Zeit über bin ich hier allein, praktisch im Palast eingesperrt – natürlich zu meinem eigenen Besten«, setzte er eilig hinzu.
»Was hat das mit den Laken zu tun?«
»Ich fürchte, ich habe ein paar Eigenheiten entwickelt.«
»Du magst schmutzige Laken?«
Er schaute sie an wie ein kleiner Junge, der sich davor fürchtet, ausgeschimpft zu werden. »Ich mag es, abends in ein Bett zu steigen, dessen Laken … nach menschlichen Gerüchen duften. Ich fürchte, ich würde durchdrehen, wenn ich nach einem langen Tag hierher käme und nur Seife riechen würde. Weißt du, ich komme nie nahe an die Menschen heran. Meine Welt ist steril. Und so möchte ich mich wenigstens in meinem eigenen Schlafraum wie ein Mensch fühlen.«
Sie wollte schon über seine kindlichen Ängste lächeln; dann aber dämmerte ihr die Bedeutung dessen, was er gesagt hatte. Einsamkeit quälte ihn. Und sie wußte, was Einsamkeit bedeutete. Nach Shadrachs Tod hatte nur der Gedanke an Sybil sie aufrecht gehalten. »Es muß sehr schwer sein, als Gott auf einem Podest zu stehen. Ich kann begreifen, daß du zumindest in deinen eigenen Gemächern ein einfacher Mensch sein möchtest.«
»Manchmal kommt es mir so vor, als gäbe es überhaupt keine Wärme auf der Welt. Ich fühle mich leer und ganz schrecklich, bis …«
»Bis du heimkommst zu deinen schmutzigen Laken?«
Er lächelte scheu. »Ja, dann fühle ich mich besser.«
»Ich verstehe.« Sie dachte an Shadrachs beruhigenden Geruch. Wenn sie tagsüber ein Nickerchen gemacht hatte, dann immer auf seiner Seite des Bettes, die noch nach ihm roch. Und so begriff sie auch, weshalb jemand, der sonst niemanden hatte, seinen eigenen Geruch als angenehm und beruhigend empfand.
»Du verstehst das? Wirklich?«
»Ja.« Sie hob ihr Kristallglas und betrachtete die Lichtreflexe auf der dunklen Flüssigkeit.
»Die meiste Zeit über muß ich mich anstrengen, um perfekt zu erscheinen. Aber hier in meinem Zimmer kann ich mich entspannen.«
»Ja, und dich an den Ort in deinem Innern zurückziehen, der dir immer zuhört.«
»Der zuhört und meint, es wäre völlig in Ordnung, schmutzige Teetassen unter dem Bett zu haben.«
Trotz ihrer noch immer vorhandenen Angst mußte Rachel lachen. Sie kannte diesen Ort in ihrem Innern sehr gut. Es war der einzige Ort im ganzen Universum, an dem sie sich sicher fühlen und ganz sie selbst sein konnte.
Ein Windstoß fuhr durch das Fenster und brachte die Kerzenflamme zum Flackern. Sie schaute auf und begegnete seinem Blick. Eine ganze Weile sahen sie sich schweigend an.
»Ich habe ein Geschenk für dich«, flüsterte er plötzlich.
»Was denn?«
»Ich hole es schnell.« Er sprang auf und holte eine kleine Schachtel aus einer Schublade seines Frisiertischs. »Es ist sehr selten«, meinte er, als er ihr die Schachtel mit einer eleganten Verneigung überreichte.
»Was ist es denn?«
»Öffne es.«
Sie blickte unsicher zwischen der Schachtel und dem erwartungsvoll dreinschauenden Mann hin und her.
»Mach es auf!«
Sie öffnete die mit Samt ausgeschlagene Schachtel und blickte verwundert auf den an einer goldenen Kette befestigten blauen Ball. »Es ist schön. Aber was ist es?«
»Eine Halskette.«
»Das sehe ich, Adom. Aber woraus ist es gemacht?«
Er grinste achselzuckend. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
»Woher hast du es?«
Sein Lächeln verschwand, und er schaute unbehaglich zu Boden. »Das ist ein Geheimnis. Aber du mußt es tragen.«
Sie hob das Objekt an der Kette aus der Schachtel und hielt es ins Kerzenlicht. Ein sehr seltsamer Gegenstand. Auf seiner Oberfläche bildeten sich weiße Muster, die an den Schaum aufgewühlter Wogen erinnerten. Zudem schien der Gegenstand das Licht nicht zu reflektieren, sondern von innen heraus zu leuchten.
»Du weißt nicht, was es ist?«
»Nein, aber gefällt es dir nicht? Ich fand es höchst interessant.«
»Ja, das ist es auch, Adom. Aber … ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
Er griff nach der Kette, beugte sich vor und legte sie ihr um den Hals. Rachel erschauderte, als der blaue Globus ihre nackte Brust berührte. Wärme ging von ihm aus.
»Du darfst die Kugel nicht mit deinen
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