Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Fäusten.
»Ja, ist schon klar, El.«
»Vielleicht hat er ja Selbstmordabsichten«, lachte der Blonde und trat dem Gefangenen in die Seite. Ein leises Stöhnen erklang, und Yosef sah, wie Jeremiels Augen sich öffneten. Er schloß sie jedoch sofort wieder. »Ich würde mich dem Ratsherrn jedenfalls nicht unbedingt auf einem silbernen Tablett präsentieren.«
Der Captain preßte die Lippen zusammen. »Er kommt zu sich. Wenn wir nicht wieder mit ihm kämpfen wollen, sollten wir ihn besser ins Gästezimmer bringen, wo wir ihn anketten können.«
Als der Captain und der Soldat sich zu ihm herabbeugten, wirbelte Jeremiel herum und schleuderte den Soldaten mit einem kräftigen Hieb die Treppe hinunter. Der Captain versuchte ihn festzuhalten.
»Schlag ihn, Tony! Schlag ihn!«
Jeremiel brachte ein Knie hoch und stieß es dem Captain in den Rücken. Der Mann krümmte sich vor Schmerz, während Jeremiel sich unter ihm hervorarbeitete und auf dem Bauch davonkroch. Als er näherkam, entdeckte er Yosef und Ari und blinzelte verwirrt, als könnte er nicht glauben, daß sie wirklich dort waren. Yosef legte warnend einen Finger auf die Lippen. Jeremiel blickte ängstlich über die Schulter zurück, versuchte aufzustehen, sank jedoch wieder auf die Knie, umklammerte seinen Kopf und stöhnte vor Schmerz.
Der Captain kam unsicher auf die Füße und brüllte: »Tony! Um Gottes willen! Mach schon! Wir müssen ihn erwischen!« Er versetzte dem Sergeant, der wie betäubt wirkte, einen Stoß. Beide zogen ihre Knüppel aus den Gürteln, stürzten sich auf Jeremiel und prügelten auf seinen Kopf und Rücken ein. Schließlich lag Jeremiel reglos auf dem Teppich, während Blut sein blondes Haar durchtränkte.
»Das reicht. Er ist wieder hinüber.« Der Captain wischte sich über den Mund und richtete sich auf. »Loma?« rief er in Richtung Treppe, wo gerade der blonde Soldat wieder auftauchte. »Alles in Ordnung?«
»War nicht weiter schlimm«, meinte der Blonde. »Ist ein verdammt zäher Brocken, was?« Er schaute auf Jeremiel herab, holte dann aus und trat ihm gegen den Schädel.
»Das reicht jetzt!« rief der Captain und schob ihn zur Seite. »Er wird keine Schwierigkeiten mehr machen.«
»Komm, El, hilf mir tragen.« Der Sergeant kniete nieder und schob seinen Arm unter Jeremiels Schulter, während der Captain auf der anderen Seite zupackte.
»Loma, nimm die Lampe.«
»In Ordnung«, erwiderte der Soldat und übernahm die Führung.
Die beiden anderen zerrten ihren Gefangenen auf die Füße und schleppten ihn davon. Yosef stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als die Männer um eine Ecke bogen und außer Sicht waren.
Yosef wartete noch einen Moment; dann zog er Ari mit sich auf den Gang.
»Komm schon«, flüsterte Ari. »Wir müssen herausfinden, wo sie ihn festhalten.«
Er setzte sich in Bewegung, doch Yosef schnappte ihn am Kragen und hielt ihn fest. »Was glaubst du denn …«
»Laß mich los! Wir dürfen ihnen nicht zuviel Vorsprung geben!«
»Willst du, daß sie uns sehen?« fragte Yosef. »Gib ihnen noch eine Minute. Ihre Lampe ist doch wie ein Leuchtfeuer. Wir können ihnen ungesehen im Dunkeln folgen.«
Ari zögerte und leckte sich nervös über die Lippen. »In Ordnung.«
Sie blieben einige Sekunden schweigend stehen; dann flüsterte Yosef: »Die Wachen wußten offenbar nicht, wer er ist. Aber glaubst du …«
»Ja, Ornias weiß Bescheid. Schließlich hat er befohlen, Baruch in Ketten zu legen. Er muß es wissen.«
»Sieht so aus.«
»Ich glaube, wir werden zuerst Jeremiel befreien müssen. Danach kümmern wir uns um den Gefangenen im Keller, wer immer das auch sein mag.«
Yosef antwortete nicht. Ihm war bewußt, daß Ornias Jeremiel zweifellos am sichersten Ort, der ihm zur Verfügung stand, unterbringen lassen würde. Und wenn ihm erst klar geworden war, daß er die Milliarde einkassieren konnte, die die Magistraten auf Jeremiels Kopf ausgesetzt hatten, würde er nicht nur Wachen vor der Tür postieren, sondern vermutlich den ganzen Flügel des Gebäudes durch ein Bataillon Soldaten abriegeln lassen.
Yosef holte tief Luft und murmelte mit zitternder Stimme: »Also los, folgen wir ihnen.«
KAPITEL
31
Ein heftiger Windstoß heulte schrill durch den Marmorgang des Palasts, den Adom entlangschritt. Er zog den Kragen seines lavendelfarbenen Gewandes höher und drückte das kleine Geschenk, das er in der Hand trug, an die Brust. Auf seinem Weg zu Rachels Zimmer hatte er kaum einen Blick für
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