Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Palast des Mashiah nicht in die Luft jagen, solange …«
»Ich weiß, Sybil. Ich werde mich darum kümmern. Das verspreche ich dir.«
»Laß mich dir helfen! Ich habe zugeschaut, wie Mommy und Jeremiel Pläne entworfen haben. Ich kann helfen!«
Er setzte Sybil auf seine Hüfte und lief die Treppe hinab. Unten setzte er sie auf dem kalten Boden ab und drückte gegen einen scheinbar festen Felsen. Er wich zurück und gab einen engen Durchschlupf frei. »Schnell, Sybil. Kriech hinein.«
Sie zögerte ängstlich. »Ich … ich will nicht.«
Er packte sie und schob sie in die Dunkelheit. Dann legte er sich auf den Bauch und kroch hinterher. Sybil wich vor ihm zurück zu einer Wand, an der Kisten aufgestapelt waren. Die Höhle durchmaß lediglich zehn mal fünfzehn Fuß, und die Decke war nur vier Fuß hoch. Sie konnte hier aufrecht stehen, Avel hingegen nicht. War das hier ein sicherer Ort oder ein Gefängnis – so wie der Platz? Hatte sie etwas Schlimmes getan, um diese Strafe verdient zu haben? Oder ihre Mutter?
»Es tut mir leid, wenn ich dir Angst gemacht habe, Sybil. Aber ich habe nur einfach nicht die Zeit, dir alles zu erklären. Komm, ich zeige dir jetzt, wo die verschiedenen Sachen untergebracht sind.«
Er kroch in der Höhle herum und zeigte auf die einzelnen Kisten. »Hier ist Essen. Dort ist Wasser in Plastikflaschen. Und da sind die Kerzen.«
»Bücher. Du hast gesagt, hier wären auch Bücher«, sagte Sybil bei dem Versuch, Avel noch länger hierzuhalten. Obwohl sie ihn fürchtete, hatte sie noch mehr Angst davor, allein zu sein.
Er lächelte schwach und klopfte gegen eine der Kisten. »Sie sind hier drin.«
»Avel, warum kannst du mir nicht sagen, was passiert ist? Ich habe Angst, und wenn ich wüßte, was los ist, würde es mir besser gehen.«
Er schloß für einen Moment die Augen und preßte die Lippen zusammen, als wüßte er, daß sie recht hatte, wollte aber trotzdem nichts sagen. »Du darfst niemandem erzählen, was ich dir sage. Verstehst du? Niemandem.«
Sie nickte eifrig. »Ich kann gut Geheimnisse bewahren.«
»Das weiß ich, Sybil. Also gut. Es gibt hier jemanden, der den Krieg beenden will. Er …«
»Er will meine Mommy allein im Palast lassen? Der Mashiah wird sie töten!«
»Pst. Das würde ich nie zulassen. Aber ich muß auch noch an andere denken. Der Mashiah hält Geiseln gefangen, gute Menschen. Wir müssen doch auch versuchen, sie zu retten, nicht wahr?«
»Ja, aber …«
»Es wird nicht leicht sein, sie in Sicherheit zu bringen. Ich habe eine Menge zu tun und nicht viel Zeit.«
Sybils Kehle wurde eng. »Du meinst, du mußt jetzt gehen?«
»Ja, aber ich komme wieder. Hab keine Angst.«
»Hab ich nicht«, meinte sie tapfer. »Geh und hilf meiner Mommy, Avel.«
Er beugte sich vor, küßte sie auf die Stirn und umarmte sie kurz.
»Wann kommst du zurück?« fragte Sybil.
Er klopfte ihr sanft auf die Schulter. »Sobald ich kann. Vertrau mir, ja?«
»Ja«, sagte sie mit erstickter Stimme.
Er wandte sich ab, krabbelte zum Ausgang und warf ihr noch einen letzten Blick zu, bevor er hinauskroch.
Die Steintür schloß sich knirschend und wirbelte dabei roten Staub auf. Sybil hustete und starrte die flackernde Kerze an, die er zurückgelassen hatte. Nach ein paar Minuten ging ihr schweres Atmen in leises Weinen über und Tränen liefen ihr über das schmutzige Gesicht. Sie wischte sich die Nase am Ärmel ab und schaute sich blinzelnd um. Sie zählte die an den Wänden aufgestapelten Kartons und kam zu dem Ergebnis, daß die Lebensmittel für mindestens ein halbes Jahr reichen mußten. Wollte er sie für Monate hierlassen?
Plötzliche Angst überfiel sie. Sie stürzte zur Tür und versuchte, sie zu öffnen oder sich notfalls unter ihr durchzugraben, doch ihre Finger stießen nur auf harten Stein, der ihre Haut aufschürfte.
Sie ließ sich gegen die rauhe Wand sinken, senkte den Kopf und weinte.
Cole Tahn preßte eine Faust gegen die Lippen, während er zuhörte. Der Ratsherr war auf dem vorderen Monitor zu sehen. Seine elfenbeinfarbene Robe schimmerte im Licht der Kerzen.
»Ich habe ihn hier in meiner Gewalt, Captain. Wann sind die Magistraten zum Tauschhandel bereit?«
Tahn betrachtete ihn kalt. Die Sorgfalt, mit der Ornias sich herauszuputzen pflegte, war ihm zuwider. Während er nachdachte, ließ er seinen Blick über die Brücke schweifen. Sämtliche Offiziere standen dicht davor, in einen Begeisterungstaumel auszubrechen. Alle, außer Halloway. Sie saß steif
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