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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Hinter ihm zerriß eine Explosion die Nacht; das violette Licht wurde vom verhangenen Himmel zurückgeworfen.
    »Flieh, Mama, flieh!« schluchzte er. Sie hatte ihm gesagt, daß sie nicht gehen konnte. Sie hatte bleiben und mit Colonel Silbersay reden wollen. Doch jetzt wußte er, daß alles, was sie gesagt haben mochte – falls der Soldat ihr überhaupt die Chance dazu gegeben hatte – ohne Wirkung geblieben war. War sie wenigstens geflohen? Ja, sie ist weggelaufen und versteckt sich jetzt irgendwo … so wie ich.
    Mikael krabbelte den Hang hinauf und entdeckte einen der Weabit-Baue, nach denen er gesucht hatte. Er glitt auf dem Bauch hinein und warf dann einen Blick zurück auf sein Heim, das teilweise zwischen den Zweigen sichtbar war. Die Felsen trugen die Narben der violetten Lanzen.
    Ein Schrei war unterhalb des Hangs zu hören. Jemand rief: »O Gott, sie sind da!«
    Mikael schaute nach oben, wo lautlos ein dunkler Schatten schwebte. Rote und blaue Lichter an den Rändern bezeichneten die Umrisse des großen Schiffs. Er hielt den Atem an, unfähig, den Blick abzuwenden.
    »Nein! Nein!« hörte er seine Mutter kreischen.
    Mikael veränderte seine Lage und konnte sehen, wie sie mit ausgestreckten Armen vor dem Eingang der Höhle stand. Das vom Regen durchnäßte blaue Kleid klebte an ihrem Körper. Verzweifelt rutschte er aus der Höhle und flüchtete auf eine Wiese, als ein weiterer violetter Blitz aus dem Schiff herabschoß. Felsbrocken wirbelten durch die Luft und leuchteten wie Meteorite unter den Schiffsscheinwerfern auf. Mikael stürzte zu Boden und bedeckte wimmernd den Kopf.
    Eine erschreckende Stille folgte, und er sah, wie das Schiff abdrehte und über die Bergspitzen davonglitt. Er lag zitternd im Regen und lauschte den Klagelauten, die vereinzelt begannen, sich dann aber rasch zu einem grauenhaften Chor steigerten.
    Mikael sprang auf und schlitterte den Hang hinab. Zwischen den Bäumen hindurch konnte er erkennen, wie die Menschen sich vor dem Höhleneingang zusammendrängten. »Mama?«
    Unter dem Feuer des Schiffs hatte sich eine Steinlawine gelöst und war auf den Talboden niedergegangen. Menschen kletterten wie Ameisen über die Felsbrocken und versuchten sich einen Weg in die Höhlen zu bahnen, wo sie die Alten und Kranken zurückgelassen hatten, die nicht laufen konnten.
    Mikael blieb schweratmend am Ende des Hangs stehen. Neben den Felsen erkannte er seinen Cousin Shilby. Der Junge weinte herzzerreißend. Vor ihm gruben mehrere Männer unter einem mächtigen Felsblock. Mikael fiel ein Fetzen blauen Stoffs auf.
    »Karl!« rief ein Mann. »Wir haben sie gefunden. Oh, lieber Gott. Sagt … sagt Dr. Smythe, es gäbe keinen … keinen Grund zur Eile.«
    »Mama?« flüsterte Mikael und stolperte vorwärts. »Mama?«
    Die Menschen wandten sich zu ihm um, als er sich näherte, und starrten ihn wie stumme, reglose Gespenster an.
    »Mikael.« Sein Onkel Mark drängte sich durch die Menge. »Komm her.«
    »Nein.« Er stürzte sich in die Gruppe. Der Vater seines Freundes Halan wollte ihn packen, doch er ließ sich auf Hände und Knie fallen und kroch weiter.
    »Meine Mama«, rief er. »Habt ihr sie gesehen?«
    Hilferufe erklangen unter dem Felshaufen und trieben ihn fast zum Wahnsinn. »Meine Mama!« kreischte er. »Wo ist sie?«
    Schließlich erwischte ihn ein Mann am Arm und zog ihn hoch. »Laß mich los! Ich muß meine …« Die Worte erstarben in seinem Mund. Neben den Füßen des Mannes sah er blauen Stoff und blutiges Fleisch.
    »Diese dreckigen Mörder!« jammerte Halans Vater, dem die Tränen über die Wangen liefen. »Sie lassen uns keine Wahl mehr! Wir wollten friedlich bleiben, doch jetzt müssen wir uns verteidigen.«
    Mikael hörte die Zustimmung, die ringsum laut wurde.
    Neben ihm tauchte sein Onkel Onkel Mark auf. Das schwarze Haar hing ihm in nassen Strähnen ins Gesicht. »Geol, gib mir meinen Neffen.«
    Mikael wurde hochgehoben und an die warme Brust des Mannes gedrückt. »Das ist meine Mama, nicht?«
    Sein Onkel umarmte ihn fest. »Ja, Mikael. Du darfst jetzt nicht weinen. Jetzt bist du unser Führer, und du mußt stark sein für dein Volk.«
    Mikael legte den Kopf auf die Schulter des Onkels, steckte einen Finger in den Mund und nuckelte daran. Er fühlte sich wie erstarrt.
    Eine kalte schwarze Grube öffnete sich in seiner kleinen Brust.

 
KAPITEL

36
     
     
    Rachels Knie zitterten, als sie rasch in einen weißen, einteiligen Anzug schlüpfte und anschließend ihr Haar

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