Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
sie es einfach nicht glauben können. Und jene, die die Wahrheit begriffen haben, fürchten sich vor dem, was als nächstes kommen mag.«
»Ich hoffe wirklich, daß du recht hast. Vielleicht beugen sie sich dann und akzeptieren ihr Schicksal als Bürger unter Milcoms Herrschaft.«
»Das werden sie niemals akzeptieren! Ihr Leben lang ist Epagael der Mittelpunkt ihres Glaubens gewesen. Sie können nicht erwarten, daß sie ihn nach nur drei Jahren aufgeben.«
Er lachte leise und betrachtete die bernsteinfarbenen Wellen, die sich in seinem Glas bildeten, als er den Sherry schwenkte. »Ich erwarte das nicht nur, ich verlange es sogar.«
»Und was verlangt der Mashiah?«
Ornias blinzelte nachdenklich. Ihr hochnäsiger Tonfall verärgerte ihn. Und nicht nur das – über Adom zu diskutieren, verursachte ihm regelmäßig Bauchschmerzen. »Er verlangt, was immer ich ihm auftrage.«
»Wo ist er jetzt?«
Ornias schaute quer durch den Raum zu ihr hinüber und bemerkte, daß ihre Schultern sich strafften und ihr schönes Gesicht voller Hoffnung aufleuchtete. Vor dem Hintergrund der grauen Steinmauer sah sie wie eine stolze schwarze Göttin aus. »Spielt das eine Rolle? Er ist ein schwacher Mensch, Shassy. Ich versichere dir, Adom könnte sich kaum weniger darum sorgen, wie ich die Dinge auf Horeb handhabe. Dachtest du etwa, er könnte befehlen, die Rebellen zu verschonen?«
»Ich habe ihn seit ein paar Tagen nicht gesehen und mich gefragt, wo er steckt. Das ist alles.« Sie blickte zu Boden. All ihre Hoffnung war geschwunden.
»Adom ist indisponiert, und das wird sich wohl auch für eine weitere Woche nicht ändern, fürchte ich. Milcom hat sich plötzlich bei ihm gemeldet.« Er warf den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus. Adom – was für ein Fang.
»Sie machen Scherze über seinen Gott?«
»Scherze? Nein. Ich nehme Milcom durchaus ernst. So wie jeden Gott, der das Verhalten der Menschen beeinflußt. Der menschliche Geist ist ein wirklich bemerkenswert formbares Ding. Man zeigt hier eine Perspektive auf, verdreht dort einen Arm, und schon kann man ein ganzes Imperium auf der Basis des richtigen Gottes erbauen. Die Geschichte beweist das, und ich bin ein sehr eifriger Student der Geschichte.«
»Dann glauben Sie nicht an Milcom?«
»Ich glaube an Milcoms Macht. Und ich bin zutiefst dankbar für das, was sie für mich getan hat.« Er deutete auf die prächtige, mit Samt und Satin ausstaffierte Schlafkammer, und ließ dann seinen Blick über ihre Robe wandern, die eng an ihrem flachen Bauch anlag und ihre schwellenden Brüste betonte. Ja, sie hatte verstanden. Das erkannte er an der Art, wie sie plötzlich zu Boden schaute. Shassy war genauso eine Beute seiner ständig wachsenden Macht wie die anderen Dinge in seinem Herrschaftsbereich.
»Das ist blasphemisch.«
»Ja, das stimmt.«
»Ich hoffe, Gott wird Sie dafür töten.«
Er nahm einen tiefen Zug Sherry und betrachtete sie dabei über den Rand des geschliffenen Glases. »Und für eine Menge anderer Dinge, könnte ich mir vorstellen. Nun ja, ich habe allerdings ernsthafte Zweifel, daß so etwas passieren könnte. Setz also lieber nicht allzuviel Hoffnung darauf.«
»Hoffnung ist alles, was mir geblieben ist.«
»Oh, Shassy«, sagte er tadelnd. Er trank seinen Sherry aus, stellte das Glas auf dem Kaminsims ab und warf ihr einen schiefen Blick zu. »Von allen Menschen verstehst du doch am besten, was ich meine. Gib es zu, du wärst froh, meine Macht zu haben. Dann könntest du genug Geld auftreiben, um zu bestechen, wen immer du willst. Und dein Ehemann hätte es nicht nötig, dich zu verkaufen …«
»Ich … wir würden Macht niemals so benutzen wie Sie. Nicht um Menschen zu quälen und auszuhungern. Wir würden sie für gute Zwecke einsetzen.« Sie wandte sich von ihm ab und starrte auf das mit elegantem rotem Samt und perlfarbenem Satin bedeckte Bett.
Er lachte kurz auf. »Sieh mich an, Shassy.«
Als sie sich weigerte, keimte Ärger in ihm auf. Mit schnellen Schritten durchquerte er den Raum, legte eine Hand unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf, bis er ihr ins Gesicht blicken konnte. Ihre dunklen Augen blitzten. »Ich kann verstehen, daß du nicht über deinen Mann sprechen willst, aber ich möchte dich an eine Sache erinnern, bevor wir diese Diskussion beenden. Ich habe ihn nicht getötet, stimmt’s? Obwohl ich das sehr leicht hätte tun können. Statt dessen habe ich einen Handel abgeschlossen. Einen recht herben, wie ich
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