Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
So lieb und freundlich, daß jeder in deiner Organisation ihn mag.«
»Was soll das heißen?«
»Kann sein, daß es dir gleichgültig ist, was für schreckliche Tage ihm bevorstehen, aber irgendeinem deiner sauberen Mitverschwörer wird das nicht egal sein. Sicher wird ihn doch irgend jemand retten wollen, meinst du nicht auch?«
»Ist mir gleich?«
»Tatsächlich?« Ornias strich sich über den Bart. »Vielleicht lasse ich Linstroms Schreie über Lautsprecher in deinem Stadtviertel verbreiten. Dann können sich deine Kumpane anhören, wohin ihre verräterischen Handlungen letztlich führen.«
»Haben Sie denn jede Menschlichkeit verloren?« fragte Shadrach und öffnete die Augen. »Samuals Eltern sind fast zweihundert Jahre alt und bestehen praktisch nur noch aus Haut und Knochen, seit die Seuche ihr gesamtes Vieh getötet hat. Und er ist der Sohn, um den sie mehr als ein Jahrhundert lang gebetet haben. Was Sie vorhaben, würde sie umbringen.«
»Genau das ist der Punkt, nicht wahr? Wir müssen ein paar Exempel statuieren, damit klar wird, daß wir keine weiteren Angriffe auf unsere erhabene …«, er kicherte über die Absurdität des Ausdrucks, »unsere erhabene Religion dulden werden.«
»Niemand wird Sie unterstützen, ganz gleich, welche Drohungen Sie ausstoßen.«
»Nun, dann sind wir eben gezwungen, das ganze Viertel in die Luft zu jagen. Damit wäre ich dann meine Sorgen ganz bestimmt los.«
Shadrach zerrte so heftig an den Ketten, daß Ornias zwei Schritte zurückwich. »Dreckskerl! Dort leben unschuldige Menschen! Wie können Sie …«
»Oh, unschuldig würde ich sie nicht gerade nennen. Sie haben dich und deinesgleichen jahrelang geschützt und versteckt. Sie haben ihre Häuser für geheime Treffen zur Verfügung gestellt und ihre Ersparnisse geplündert, um euch mit dem nötigen Material zu versorgen, das ihr gebraucht habt, um die Truppen des Mashiah zu töten – meine Truppen. Ich würde das kaum als unschuldig bezeichnen.«
»Mehr als tausend Kinder leben in diesem Teil der Stadt!«
»Kinder wachsen heran und werden zu Kämpfern. Je mehr wir töten, desto ruhiger können wir nachts schlafen.«
»Lieber … Gott …«, stöhnte Shadrach und senkte den Kopf, während sein geschundener Körper von lautlosem Schluchzen erschüttert wurde. »Sie sind unmenschlich.«
»Komm schon, Shadrach, du hast drei Jahre lang gekämpft, um diese Menschen zu schützen. Ich weiß, wie sehr du dich um sie sorgst.« Er senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Raunen. »Komm schon … sicher hattest du doch einen Fluchtplan entwickelt. Erzähl mir nur, wohin Rachel gegangen sein könnte. Das ist alles, mehr …«
Shadrach warf sich vorwärts und spie ihm ins Gesicht. Ornias zuckte zurück. Wut brandete in ihm auf, als der Speichel schleimig über seine Wange rann. Er zog ein blaßblaues Taschentuch hervor, wischte sich das sonnengebräunte Gesicht ab und versuchte, sich zu beruhigen. Man durfte einen Gegner nie wissen lassen, daß man sich getroffen fühlte, denn damit schwächte man nur die eigene Position. Mit gespielter Gleichmütigkeit trat Ornias wieder vor den Rebellen und bemerkte zu seinem Ärger, daß ein schwaches Lächeln die Lippen des Mannes umspielte.
»Schade, daß du das getan hast«, murmelte Ornias. »Der einzige Grund, warum ich dafür gesorgt habe, daß die Ärzte sich um deine Wunden kümmern und dich am Leben erhalten, war die Hoffnung, du würdest zu Verstand kommen. Doch jetzt erkenne ich, daß ich mich da sehr getäuscht habe.«
»Dann töten Sie mich doch!« erklärte Shadrach mit zusammengebissenen Zähnen und kämpfte gegen die Fesseln an. Die Ketten klirrten, und frisches Blut zeigte sich auf dem Verband um seinen Bauch.
»Oh, ich glaube nicht, daß das jetzt schon die richtige Lösung wäre.« Nach diesen Worten schritt Ornias mit der Ruhe eines Scharfrichters zu der Wand hinüber, an der seine Folterwerkzeuge hingen. Mit einer Hand strich er sich nachdenklich den Bart, während er seine Sammlung begutachtete. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Shadrachs Gesicht blaß wurde. Der hochmütige Gesichtsausdruck verschwand und wurde durch nackte Angst ersetzt. Ornias ließ sich Zeit, berührte erst einen Streitkolben, dann eine neunschwänzige Katze, bevor er schließlich nach einem anderen Gegenstand griff.
»Ah, das hier sollte genügen.« Er nahm eine kleine schwarze Schachtel an sich und streichelte sie liebevoll.
Als er zurückkam, versteifte sich Shadrach, was die Ketten
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