Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
einen abschüssigen Spalt hinein, der sich zu einer schmalen Schlucht erweiterte.
Kühle Morgenschatten hingen zwischen den Felsen. Eine schwache Brise wirbelte den Dunst auf und trieb Sand vor ihnen her. Und wieder hörten sie die Rufe der Männer. Diesmal weit näher als zuvor. Namenlose Angst würgte Rachel.
Sybil rannte mit stampfenden Beinen voraus. Rachel hatte keine Ahnung, wie lange sie die Schlucht hinabliefen, doch als sie schließlich den Grund erreichten, zitterten ihre Beine, und sie schnappte krampfhaft nach Luft.
Mit einer schnellen Bewegung schob Jeremiel sie plötzlich beiseite, sprang auf einen großen, muschelförmigen Felsblock und ließ seine Hand unter dem Überhang entlang streichen. »Hier ist es. Letzte Nacht konnte ich es nicht finden, aber jetzt weiß ich, daß es hier ist.«
»Was?«
Statt einer Antwort warf er sich auf den Boden, rollte sich auf den Rücken und schob sich halb unter den gefährlich geneigten Felsen.
Irgendwo in der Nähe ertönte ein zischendes Geräusch. Panik überflutete Rachels Sinne. Sybil stieß einen kleinen Angstschrei aus und klammerte sich mit weit aufgerissenen Augen an das Bein ihrer Mutter.
»Wir müssen laufen, Mommy! Schnell!« Verzweifelt zerrte sie am Arm der Mutter. »Schnell!«
»Bleib hier!« befahl Jeremiel und schob sich noch weiter unter den Überhang.
Rachel warf einen angsterfüllten Blick über die Schulter und fragte sich, ob sie dem Fremden genug vertraute, um ihm zu gehorchen. Der Wind nahm zu und wirbelte ihr Haar hoch. Als das Zischen lauter wurde, verließen sie Furcht und Hoffnung gleichermaßen, bis sie nur noch teilnahmslos darauf wartete, daß der Samael oberhalb der Felsen in Sicht kam. All die Anstrengungen und all der Tod waren umsonst gewesen.
»Da!« rief Jeremiel, und das knirschende Geräusch eines zur Seite gleitenden Felsens zerriß die Luft. »Sybil! Komm her!«
Rachel sah, wie ihre Tochter in einer rechteckigen Öffnung verschwand, die kaum groß genug schien, daß ein Mensch hindurchging. Jeremiel winkte heftig, und Rachel legte sich auf den Bauch und rutschte ebenfalls durch die Öffnung, wobei Jeremiel sie brutal vorwärts schob, während sich der Eingang knirschend schloß. Dunkelheit fiel wie ein samtenes Tuch über sie herab.
»Mommy, wo bist du?« jammerte Sybil und tastete suchend Wände und Boden ab.
»Hier, Kleines. Folge einfach meiner Stimme. Ja, hier.« Sie zog ihre Tochter auf den Schoß.
»Beinahe hätten sie uns erwischt.«
»Aber es geht uns gut.«
»Ja, im Moment«, murmelte Sybil in Rachels Ohr.
Nachdem sie ein paar Sekunden intensiv in die Dunkelheit gelauscht hatte, flüsterte Rachel: »Jeremiel, was ist das für ein Ort?«
»Der Vorraum zu den Höhlen der Wüstenväter. Es sollte bald jemand auftauchen, um uns abzuholen. Aber ich weiß nicht genau…«
»Was für Väter?«
»Wüstenväter. Das ist eine Geheimorganisation. Sie existiert jetzt schon seit fast tausend Jahren auf Horeb.«
Sie hörte in der Dunkelheit, wie er sich bewegte, als würde er Höhe und Breite der Höhle erkunden. Die von seinen Händen aufgewirbelte Luft streichelte ihren Nacken.
»Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und nie von diesen Wüstenvätern gehört«, sagte Rachel.
»Natürlich nicht. Andernfalls wären sie ja auch nicht besonders geheim, oder?«
Rachel spürte einen Kloß in der Kehle. Draußen hatte sie zumindest gewußt, was sie erwartete, aber hier? Eine geheime Organisation, die sich in den Bergen verbarg? Wer mochten sie sein, und weshalb versteckten sie sich? Sie zitterte. Ungeahnte Schrecken mochten ganz in ihrer Nähe lauern, und sie würde nichts davon merken, bis es zu spät war. »Jeremiel, mir gefällt es hier nicht. Gibt es keinen anderen Ort, an dem wir warten können? Ich bekomme hier Platzangst.«
»Ich würde sagen, das hier ist im Moment der sicherste Platz auf ganz Horeb, Rachel. Vertrauen Sie mir.«
»Wenn man zu vielen Menschen vertraut, endet man als Leiche.«
»Ja«, sagte er sanft, »ich verstehe diese Ängste. Tot – oder zumindest waffenlos.«
Sie wollte gerade zu ihrer Verteidigung ansetzen, da schien die Dunkelheit in Bewegung zu geraten. Ein kühler Luftzug berührte ihr Haar, und eine Flut übler Gerüche erschreckte sie. Sie zog die Füße an und bereitete sich darauf vor, loszurennen. »Jeremiel…?«
»Alles in Ordnung.« Sein muskulöser Arm legte sich um sie, und er zog sie an sich, ohne darüber nachzudenken. Leises Kratzen ertönte von der Seite der
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