Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb
Vergewaltigungen gamantischer Mädchen durch magistratische Offiziere, bis hin zum Massenmord an ›nutzlosen‹ Subjekten. Er malte ihr die Schrecknisse detailliert aus, berichtete von dem Gemetzel vor der ausgehobenen Grube, erzählte von seinem Rundgang durch Block 10, den er in Begleitung von Major Johannes Lichtner gemacht hatte, der damit prahlte, mehr als dreizehntausend Gamanten auf dem Lagergelände verscharrt zu haben.
Amirah schüttelte den Kopf und erhob sich, wobei sie sich wegen der Fesseln anstrengen mußte, das Gleichgewicht zu wahren. »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte sie leise. »Sie sind so routiniert im Lügen, daß Sie …«
Wütend stieß Tahn seinen Stuhl zurück. »Warum sollte ich Sie anlügen? Dafür gibt es keinen Grund.«
»Weil Sie versuchen, meine Abstammung gegen mich einzusetzen. Sie versuchen mich zu zwingen …«
»Was kümmert mich Ihre verdammte Abstammung? Die Gefangenen auf Tikkun waren unschuldige Zivilisten, Amirah! Die Magistraten haben sie zusammengetrieben und Experimenten unterzogen, die wesentliche Teile ihrer Gehirnstrukturen zerstörten. Sie behaupteten – Lichtner behauptete – die Neurobiologen hätten einige physiologische Anomalien ausfindig gemacht, die erklären würden, weshalb die Gamanten auf ›irrationale‹ Weise aggressiv reagieren. Ich kann nicht beurteilen, ob etwas Wahres daran ist.«
Tahn ging auf und ab, um sich wieder ein wenig zu beruhigen. »Sie sollten sich keine Sorgen darum machen, daß ich Ihre Abstammung gegen Sie verwenden könnte. Machen Sie sich lieber Sorgen wegen der Magistraten. Falls die davon erfahren, wird man Sie an einen sehr unerfreulichen Ort …«
»Sie sind ein Lügner!« rief Amirah voller Wut. »Ein Lügner und ein Verräter! Sie würden doch alles sagen, um mich …«
»Ich habe Ihnen nichts als die Wahrheit erzählt. Sie sind durch die offizielle Propaganda zu verblendet …«
Tahn registrierte ihre Bewegung zu spät. Für einen Sekundenbruchteil waren ihre Hände nicht zu sehen – dann traf der Schlag seine Brust. Verzweifelt schnappte er nach Luft, da traf der nächste Hieb schon seinen Rücken. Tahn hechtete zur Seite, um weiteren Schlägen zu entgehen, und versuchte gleichzeitig, Amirah die Beine unter dem Leib wegzutreten, doch der Zusammenprall schleuderte seine Pistole aus dem Holster, die mehrere Schritte weit weg rutschte. Amirah stolperte gegen ihn und nutzte die Gelegenheit, ihm den Ellbogen in den Magen zu rammen. Cole versetzte ihr einen Hieb in den Solarplexus, packte ihre gefesselten Hände und riß sie hoch. Amirah wehrte sich, indem sie ihr Knie in seine Beinwunde stieß. Doch schließlich schaffte er es, sein Gewicht einzusetzen und sie auf dem Boden festzunageln.
Als Amirah erkannte, daß sie sich nicht mehr rühren konnte, stieß sie einen lauten Wutschrei aus.
Schwer atmend bemerkte Tahn: »Ich dachte, wir hätten bereits geklärt, daß ich besser bin als Sie.«
»Runter von mir!« schnaubte sie.
»Nur ruhig. Ich gehe ja schon.«
Tahn erhob sich, holte seine Pistole und richtete den Lauf auf Amirah. Seine Brust brannte wie Feuer. Vorsichtig tastete er seinen Körper ab und murmelte dann: »Verdammt, ich glaube, Sie haben mir eine Rippe gebrochen.«
»Sehr schön. Ich hoffe nur, der Knochen bohrt sich in Ihre Lunge und bringt Sie um.«
Als sie zu ihm hinübersah, bemerkte er zum erstenmal die Tränen in ihren Wimpern. Nachdenklich fragte er sich, ob diese Tränen durch den Schmerz seiner Schläge verursacht worden waren, oder ob seine Geschichte über die Gamanten sie letzten Endes doch mehr beeindruckt hatte, als sie zugeben wollte.
»Sie sind wirklich ein Satansbraten«, erklärte er. »Ich nehme alle freundlichen Gedanken zurück, die ich im Lauf der Zeit für Sie hatte. Wenn ich erst tot bin und niemand mehr da ist, der Ihnen Nahrung gibt, wird Ihnen schon das Gewissen schlagen.«
Er tastete abermals nach der verletzten Rippe und zuckte zusammen. »Verdammter Mist«, knurrte er und hockte sich vorsichtig auf die Tischkante.
Amirah setzte sich aufrecht hin. Tahn sah, daß noch immer Tränen in ihren Augen schimmerten. Doch als er bemerkte, wie sie zur Tür hinüber schaute, hob er warnend die Pistole. »Kommen Sie jetzt bloß nicht auf dumme Gedanken. Ich kann vielleicht nicht mehr atmen, aber zum Schießen reicht es noch. Warum kommen Sie nicht einfach hierher, Amirah? Setzen Sie sich neben mich, dann können wir ein freundliches kleines Schwätzchen halten.«
Amirah kroch zu ihm
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