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Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Titel: Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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getragen, auf daß er bei uns den heiligen Weg der Rechtschaffenheit erlerne.«
    »Wie heißt er?«
    »Yeshwah.«
    Der heiße Wind frischte auf und ließ auf den Wellen des Sees weiße Schaumkronen entstehen, doch Nathanaeus achtete nicht darauf, sondern betrachtete nachdenklich den Neuankömmling.
    Sybil beobachtete ebenfalls den großen, dürren Jungen. Er mochte etwa zwölf Jahre alt sein, doch seine Miene verriet, daß er schon mehr vom Leben gesehen hatte, als in diesem Alter üblich war. In seinen dunklen Augen stand ein Ausdruck, als habe er das Ende aller Zeiten geschaut, wo die Welt in Trümmern liegt, niemand mehr lacht und kein Vogel mehr in den Zweigen der Bäume seine Lieder singt. Sybil griff sich an die Kehle, denn auch sie hatte schon solche Verwüstung gesehen, in einem realen Universum, nur einen Herzschlag entfernt.
    Nathanaeus wischte sich nervös die Handflächen an seinem Gewand ab. »Darf ich mit ihm spielen, Paquid? Er sieht so aus, als brauche er jemand, der sich um ihn kümmert.«
    Der alte Mann lachte gutmütig und strich ihm abermals über das Haar. »Ja, geh nur. Aber sei nett zu ihm – tief in seinem Innern klafft eine Wunde, die vielleicht niemals verheilen wird.«
    Nathanaeus beugte sich vor und gab dem alten Mann rasch einen Kuß auf die Wange, bevor er losrannte.
    Und Sybil hörte, wie jemand aus weiter Ferne ihren Namen rief. Sybil? Sybil? Die Szene verblaßte, als Mikaels tiefe Stimme in ihren Traum drang. Sybil fand sich in der Krankenabteilung wieder. Ein Medotechniker schob ihr Bett auf den Gang hinaus. Mikael ging neben ihr her.
    »Was … was ist los?« fragte sie mit rauher Stimme.
    Mikael schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Niemand will mir sagen, wohin sie uns bringen.«
     
    Leise Schreie durchdrangen die Nacht, als Arikha Anpin durch die dunklen Wälder von Satellit 4 rannte. Die kleine Frau mit den schwarzen Haaren und den blauen Augen trug nur einen dünnen weißen Schlafanzug. Sie lief in einer Gruppe von zweiundzwanzig gamantischen Frauen, die mitten in der Nacht aus ihren Häusern auf Giclas 9 geholt worden waren. Magistratische Soldaten in purpurnen Uniformen hatten ihnen nicht einmal Zeit gelassen, sich anzukleiden, sondern die Frauen und ihre Kinder mit Gebrüll und einigen Warnschüssen wie eine Herde Vieh über einen Hügel und dann durch einen ausgewaschenen Graben getrieben. Unterwegs war ein kleiner, vielleicht vierjähriger Junge ausgerutscht und mit dem Fuß gegen einen Felsen gestoßen. Er weinte vor Schmerz und umklammerte seinen Knöchel. Bevor seine Mutter ihn holen konnte, war ein magistratischer Soldat hinzugekommen, hatten den Jungen seelenruhig erschossen und dann gerufen: »Vorwärts jetzt! Lauft weiter! Wir haben euch ja gesagt, ihr sollt aufpassen und nicht zurückfallen. Bewegung!«
    Nur die Suchscheinwerfer der beiden Jäger, die über ihnen schwebten, erhellten den Weg. Leichter Schneefall hatte eingesetzt und überzog die Äste mit einer weißen, eisigen Kruste.
    Einer der Jäger schwenkte nach rechts ab. Im gleichen Moment flammten starke Scheinwerfer am Fuß des Hügels auf. In ihrem Licht konnte man Soldaten erkennen, die sich in einer Reihe aufgestellt hatten. Bei ihnen hielt sich ein Major auf, der nervös wirkte und die Hände tief in den Taschen seines langen Mantels vergraben hatte. Neben ihm stolzierte ein General auf und ab, als die Frauen den Hang herunter kamen. Er war großgewachsen, hatte sandfarbenes Haar und limonengrüne Augen, und um seinen Mund zeigte sich ein grausamer Zug.
    »Sie sind gerade zur rechten Zeit gekommen, Major Rasch«, bemerkte der General. »Ich wollte, daß Sie miterleben, wie die routinemäßige Liquidation neuer Gefangener aussieht.«
    »Neue Gefangene, General? Aber ich dachte, unsere Aufgabe bestünde in erster Linie darin, Rebellennester auszuheben. Warum sollen wir uns mit harmlosen Frauen und Kinder abgeben, die erst vor ein paar Stunden hier eingetroffen sind?«
    Der General richtete seinen Blick drohend auf Rasch. »Die Rebellen sollen wissen, daß wir vor nichts zurückschrecken, um ihrer habhaft zu werden. Sie sollen darüber nachdenken, was wir mit ihren Familien machen, wenn sie sich nicht wie verlangt ergeben. Der Terror hat durchaus seinen Sinn, Major. Aber darüber unterhalten wir uns später. Hier kommen die Gefangenen.«
    Der General hob seine Hand, und die Soldaten machten sich schußbereit. Sicherungsflügel klickten.
    Als Arikha und die übrigen Frauen und Kinder stehenblieben,

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