Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb
in der etwas darüber stände, Commander.«
»Es gibt auch keine Aufzeichnungen. Dafür hat Cole schon gesorgt, als er Block 10 auf Tikkun in die Luft jagte.«
Amirah erstarrte, als sie sich an all die schrecklichen Geschichten erinnerte, die Tahn ihr über dieses Vernichtungslager erzählt hatte. Warum hatte er nicht erwähnt, daß auch Baruch dort festgehalten worden war? Oder daß er dieses Lager in die Luft gejagt hatte? Die Geschichtsschreiber der Regierung waren davon ausgegangen, das Lager sei durch einen Zufallstreffer während der Schlacht zwischen den gamantischen und magistratischen Kreuzern zerstört worden. »Wurden Sie von Major Lichtner gefangen?«
»Ja.« In Baruchs blauen Augen schimmerte plötzlich alter Haß auf.
Amirah ging zum Tisch hinüber. Ihre Beine waren so schwach, daß sie alle Kraft brauchte, um sich aufrecht zu halten.
»Setzen Sie sich, Captain«, sagte Baruch, dem ihre Probleme nicht entgangen waren. »Möchten Sie, daß der Schiffsarzt Ihnen etwas verschreibt, damit Sie schlafen können?«
»Ich brauche gar nichts von Ihnen«, erwiderte Amirah müde und ging mit abgezirkelten Schritten vor dem Tisch auf und ab. »Weshalb wollten Sie mich sprechen?«
Sein Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an. »Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt. Über Sefer und Zakuto Raziel.«
Amirahs Schritte wurden unsicher, als sie plötzliche Angst verspürte. Aber das war lächerlich – es existierten keine verräterischen Unterlagen. Baruch konnte kaum mehr als die Geburtsurkunden und vielleicht ein paar Steuerbescheide aufgetrieben haben. Sie stützte sich mit der Hand gegen die Wand und fragte: »Und?«
»Ich möchte mit Ihnen darüber reden.«
»Tut mir leid, aber ich habe nichts dazu zu sagen. Mein Großvater starb schon vor meiner Geburt, und die Beziehung zu meiner Großmutter ist Privatsache.«
Baruch streckte die Beine aus und legte sie an den Knöcheln übereinander. »Zuerst habe ich am falschen Ort gesucht, nämlich in den magistratischen Akten. Doch dann fand ich in den gamantischen Archiven ein paar sehr interessante Dokumente. Wußten Sie überhaupt, daß diese Unterlagen existierten?«
»Ich wußte nicht mal, daß die Gamanten Archive besitzen«, erwiderte Amirah verblüfft.
Baruch streckte die Hand aus und schob den Papierstapel in ihre Richtung.
»Die sind für Sie«, erklärte er. »Ich dachte, Sie wären vielleicht an Ihrer Familiengeschichte interessiert. Ihre Großeltern haben sich während der letzten gamantischen Revolte als tapfere und loyale Kämpfer erwiesen. Insbesondere Ihre Großmutter. Wußten Sie, daß sie für den Untergrund spioniert hat und auf Palaia stationiert war?«
Amirah sog überrascht die Luft ein. Ihre Großmutter hatte sich immer sehr zurückhalten gezeigt, wenn es um ihre eigene Vergangenheit ging, deshalb war Amirah jetzt nicht in dem Maße überrascht, wie man hätte annehmen sollen. Dennoch machte ihr die Vorstellung zu schaffen, daß ein Fremder mehr über Sefer wußte als sie selbst. »Nein«, sagte sie.
Baruch fuhr fort: »Drei Jahre lang lebte sie in ständiger Gefahr, enttarnt zu werden. Sie ließ sich gefangennehmen und in ein Umsiedlungslager außerhalb von Naas bringen, in der Hoffnung, dort jener Gruppe zugeteilt zu werden, die sich um die Unterkunft des Lagerkommandanten zu kümmern hatte – einem Mann, der von Giclas 7 stammte und enge Beziehungen zu den Magistraten unterhielt. Ein Jahr verbrachte sie im Lager, wo sie mehrfach gefoltert wurde, bis sie es schließlich schaffte, Arbeit als Waschfrau in Heydrichs Quartier zu bekommen. Zwei Jahre lang gab sie dann Informationen an den Untergrund weiter, die sich letztlich als höchst bedeutungsvoll für Zadok Calas’ Sieg auf den Ebenen von Lysomia erweisen sollten. Ohne Sefers Daten wäre die Strategie, die Zadok von Epagael erhielt, völlig nutzlos gewesen.«
Amirah blickte ihn stumm an. So also war Sefer zu der eintätowierten Nummer auf ihrem Arm und den Narben im Gesicht gekommen. Als Kind hatte sie ihre Großmutter oft danach gefragt, jedoch nie eine Antwort erhalten. Jetzt wünschte sie sich nichts sehnlicher, als jene Männer, die ihre Großmutter gefoltert hatten, aufzuspüren und ganz langsam umzubringen.
Und nun verstand Amirah, weshalb Sefer zwar vom Krieg erzählt, aber nie ihre eigene Rolle dabei erwähnt hatte. Und natürlich war es auch kein Wunder, daß ihr Vater so verzweifelt versucht hatte, jeden Hinweis auf die Herkunft ihrer Mutter aus den Akten zu
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