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Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Titel: Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Medogeräts, das ihre obere Körperhälfte wie ein silbernes Monster umschlang, und träumte … träumte … Aus weiter Ferne drang gelegentlich das Gelächter von Männern in ihren Traum.
    Sie spürte, wie sie fortgezogen wurde, hinein in den dunklen Schlund eines wirbelnden Tunnels, bis sie sich schließlich in einer Wüstenei wiederfand. Sie stand am Ufer eines metallisch grünen Sees. Der warme Wind trug den süßen Duft unbekannter Blumen herbei. Hinter ihr erhob sich eine von Höhlen durchzogene Felswand, die dank der vor ihr wabernden Hitzeschlieren wie ein surrealistisches Gemälde wirkte. Vor den Höhlen beugte sich eine Gruppe weißgekleideter Männer, von denen einige sehr alt, andere hingegen sehr jung waren, über einen primitiven Aquädukt aus Felsgestein, der kein Wasser führte. War er gerade erst erbaut worden?
    Sybil ging langsam auf die Gruppe zu und beobachtete die Männer dabei neugierig. Statt Wasser aus dem See herzuleiten, führte der Aquädukt zu dem Plateau hoch über den Höhlen hinauf. War das Wasser des Sees vergiftet oder zu salzig, um trinkbar zu sein?
    Ein alter Mann mit grauem Haar und einer ungewöhnlich langen Nase ruderte mit den Armen und rief: »Ihr dummen Narren! Ich werde mir die Sache jetzt ansehen. Verschwindet hier und kommt in einer Stunde wieder.« Die anderen Männer entfernten sich schwatzend. Ein kleiner Junge von vielleicht sechs Jahren heftete sich eifrig an die Fersen des alten Mannes.
    Der Wind trieb die hohe Kinderstimme zu Sybil hinüber. »Warum benutzen wir nicht einfach Ziegel?«
    »Das geht nicht«, erwiderte der Alte sanft. »Wir müssen Stein benutzen, wenn wir wollen, daß der Aquädukt lange hält. Ziegel würden dem Wasser auf Dauer nicht standhalten.«
    Der Junge nickte und marschierte dann hinter dem alten Mann her. Sybil lächelte. Der Junge hatte pechschwarzes Haar und die dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte. Der Wind ließ sein weißes Gewand flattern und preßte es gegen seine schmale Brust. Er mußte fast laufen, um mit dem Alten Schritt zu halten.
    »Paquid?« rief er. »Wieviel Grad Gefälle pro Stadium sind nötig, damit das Wasser fließt?«
    Der Paquid zog überrascht eine Augenbraue hoch. »Du bist ja schlauer, als ich dachte.« Er hielt inne und kniete sich nieder. Ein liebevolles Lächeln umspielte seine Lippen. »Komm her, Nathan, ich zeige es dir.«
    Der Junge rannte herbei und stützte sich fröhlich grinsend auf das Knie des Lehrers.
    Der Paquid hob den kleinen Finger und strich mit dem Daumen über das zweite Glied. »Siehst du das, Nathanaeus?«
    Der Junge nickte eifrig. »Ja.«
    »Und wie nennt man dieses Maß?«
    »Eine uncia.«
    Der alte Mann lächelte und strich dem Jungen über das Haar. »Ja, sehr gut. Du lernst rasch. Ich erinnere mich noch, wie deine römische Mutter dich herbrachte. Damals hast du nur geweint. Doch jetzt bist du schon fast ein Mann, nicht wahr?«
    Nathanaeus nickte schüchtern. »Ich wachse ziemlich schnell. Aber an meine Mutter kann ich mich nicht mehr erinnern.«
    »Ich weiß. Damals warst du ja auch noch sehr klein. Aber um deine Frage zu beantworten, man braucht ein Gefälle von sechs uniciae alle hundert Schritt, wenn das Wasser richtig laufen soll. Merk dir das, mein Junge. Wenn man das nicht weiß, kann man auch keinen Aquädukt bauen.«
    Sybil lächelte über die unschuldige Fröhlichkeit im Gesicht des Kindes. In der Ferne hörte sie die Männer lachen, die sich zu den Höhlen zurückgezogen hatten. Es war so friedlich hier. Zum erstenmal seit Monaten atmete Sybil völlig entspannt durch. Ein Ort wie dieser konnte nur in einem Traum existieren.
    Der Junge strich mit dem Finger über den Stein. »Ich werde es bestimmt nicht vergessen. Wenn ich groß bin, möchte ich auch so etwas bauen …«
    Er brach ab und starrte mit offenem Mund zu einem anderen Jungen hinüber, der größer und älter war und soeben von den Höhlen herabschritt. Der braunhaarige Junge war groß für sein Alter, doch er wirkte dünn und ausgemergelt. Als der Wind sein Gewand gegen die Brust drückte, sah Sybil, daß er kaum mehr Fleisch auf den Rippen hatte als ein Skelett.
    Flüsternd fragte Nathanaeus: »Wer ist dieser Junge?«
    Der alte Mann folgte seinem Blick. »Oh, das ist ein neues Mitglied unserer Gemeinschaft, mein Kleiner. Ein sehr trauriger Junge. Er ist von daheim fortgelaufen. Er behauptet, ein strahlend goldener Engel sei ihm mitten in der Nacht erschienen, habe ihn bei den Haaren gepackt und hierher

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