Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb
die Planeten werden vom Zorn des Herrn aus ihren Bahnen geschleudert. Und auf dem heiligen Berg wird der Herr den Schleier verschlingen, der über allen Völkern liegt, und der Unterdrücker wird sein Ende finden. Und dann werden die Toten wieder auferstehen.«
Amirah kehrte zu ihrem Kommandantensessel zurück, um Ruhe zu finden. Sie betrachtete Jasons breiten Rücken. Er beugte sich gerade über die Navigationskonsole, und sie verfolgte das Spiel seiner Schultermuskeln unter der eng anliegenden Uniform. Ein sonderbares Kribbeln befiel sie, während ihr Blick auf ihm ruhte. Sie hatte ihn gezwungen, ihr in aller Ausführlichkeit von der Nacht zu berichten, in der sie zusammen gewesen waren und an dessen Ende ihr Anfall gestanden hatte. Seit jener Nacht kamen ihr immer wieder Erinnerungsfetzen in den Sinn, meist zärtlicher oder leidenschaftlicher Natur. Mehr als an alles andere erinnerte sie sich an die angsterfüllte Liebe in seinen Augen und an seine fast zu vorsichtigen Berührungen. Das verwirrte sie sehr und brachte sie um ihr inneres Gleichgewicht. Jahrelang hatte sie Woloc vertraut, sich selbst in den haarigsten Situationen unbedingt auf ihn verlassen. Und jetzt fürchtete sie sich davor, noch einmal auf ihn zu bauen. Er würde doch nichts Unüberlegtes tun, oder? Sie hatte mit ihm geschlafen, sich ihm in jener Nacht gern hingegeben, aber wenn es zur Schlacht kam, durfte sie dadurch keine Rücksicht mehr nehmen, durfte sie nur noch sein Captain sein. Würde er ihre Befehle weiterhin befolgen? Würde er sie im Kontrollraum in den Türmen allein lassen, wenn sie ihn zu gehen aufforderte?
»Captain?« rief Jason und riß sie aus ihren Gedanken. »Hier stimmt etwas nicht.«
»Was ist denn, Lieutenant.«
Seine Hand fuhr über den Bildschirm. »Ich stelle eine Vergrößerung her.«
Palaia schien mit atemberaubender Geschwindigkeit auf sie zu zufliegen. Amirah entdeckte winzige silberne Lichter, die die Station umschwirrten. »Identifizieren Sie die Objekte, Lieutenant. Ich war bislang der Ansicht, die Satelliten befänden sich innerhalb der äußeren Energiehülle.«
»Das tun sie immer noch. Aber bei diesen Punkten handelt es sich nicht um Satelliten, sondern um Schlachtkreuzer. Ihrem Kurs und ihrer Geschwindigkeit nach zu urteilen, muß blauer Alarm ausgelöst worden sein.«
Amirah beugte sich in ihrem Sessel vor. Blauer Alarm? »Lieutenant, scannen Sie die galaktische Umgebung rings um Palaia. Achten Sie besonders auf Anzeichen feindlicher Aktivitäten.«
»Dauert nur einen Moment, Sir.«
Sie atmete schneller. Die Aussicht, in der Nähe der Station Kreuzer des Untergrunds anzutreffen, löste in ihr Angst und Hoffnung zugleich aus.
Gever Hadash fuhr mit ihrem Sessel herum und blickte Amirah eindringlich an. »Captain, ich bekomme hier eine wahre Flut von Daten herein. Es geht darum, ob gefangene gamantische Zivilisten auf dem Satelliten 4 ausgeladen werden sollen. Anscheinend handelt es sich bei dem blauen Alarm lediglich um eine Vorsichtsmaßnahme, um Untergrundaktivitäten zur Befreiung dieser Zivilisten vorzubeugen.«
»Analyse, First Lieutenant.«
Jason meldete, ohne den Blick von der Konsole zu wenden: »Gever scheint recht zu haben. Dort draußen sind kaum gefechtsähnliche Handlungen festzustellen, und ich erhalte auch keine Gravitationsschwankungen, die auf eintreffende Schiffe hindeuten würden.«
»Interessant«, entfuhr es Amirah. »Man sollte doch meinen, zwei Kreuzer reichten vollauf, um eine so simple Aktion zu bewachen. Aber das sieht mir nach mindestens zwanzig Kriegsschiffen aus …«
»Ja«, murmelte Jason, »es sei denn, auf der Station hat man Nachricht von einem bevorstehenden Angriff erhalten.« Er warf ihr über die Schulter einen Blick zu. Sie machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Könnte natürlich sein. Wie lange noch, bis wir auf Palaia andocken?«
»Unser Shuttle hat Landeerlaubnis in vierzig Minuten. Magistrat Slothen wird uns höchstpersönlich am Raumhafen empfangen. Er hat mich gebeten, Sie darüber zu informieren, daß Ihnen zu Ehren heute abend ein Dinner gegeben wird, wo er Ihnen höchstselbst den Ehrenorden verleihen will.«
Der Lieutenant hatte militärisch knapp und unbewegt gesprochen, doch sein Worte wehten wie ein Eishauch über ihre Seele. Die sieben anderen Crewmitglieder auf der Brücke drehten sich zu ihr um und blickten sie voller Stolz an. Amirah selbst fühlte sich hundeelend. Sie erhob sich mühsam aus ihrem Sessel und trat zu Woloc.
»Lieutenant,
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