Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb
bevor sie in den Seitenkorridor zu ihrer Kabine abbog, hörte sie, wie sich hinter ihr die Fahrstuhltüren schlossen, und im gleichen Moment bildete sich ein Seufzer in ihrem Hals. Laß dein Herz nicht sprechen, Amirah. Du darfst dir jetzt keine Gefühle erlauben. Das kannst du dir nicht leisten … nie wieder.
Sie trottete kraftlos zu ihrem Zimmer. Doch kaum war sie dort, verschwendete sie keine Zeit. Sie trat an ihren Kleiderschrank, nahm die Gala-Dienstkappe heraus, setzte sie sich vorschriftsmäßig gerade auf und zog die Spitze in die Stirn. Dann gürtete sie sich mit zwei Pistolen und schob sich Tahns Wind-River-Fighter in den Stiefel. Auf eine nicht nachvollziehbare Weise schien er eine besondere Beziehung zu der Waffe zu haben. Wenn sie durch ein Wunder die Gelegenheit dazu erhalten sollte, würde sie ihm das Stück zurückgeben. Schließlich hängte sie das Kommunikationsgerät an ihrem Gürtel ein und machte sich auf den Weg zum Tür.
Doch als sie am Getränkespender vorbeikam und die bunten Weinkelche sah, versagten ihre Beine den Dienst. So, als wäre sie von einem Moment auf den anderen um viele Jahre zurückversetzt worden, erblickte sie Sefers altersfaltiges Gesicht. Großmutter lächelte ihr liebevoll zu, während sie das nächste Glas in einen der gelben Papierbogen einwickelte, die sie am Morgen im örtlichen Laden gekauft hatten. Siehst du die Kelche, Amirah? Die alten Gamanten auf der Erde haben sie hergestellt. Sie sagten, die wirbelnden Farben spiegeln die Schönheit Epagaels wider, die über alle Schöpfung hinausragt. Bewahre das in deinem Herzen. Die Regierung kann dir alles nehmen, nur das nicht. Gottes Schönheit lebt in dir. Vergiß das nie. Sie können dich mißhandeln, deinen Geist vergewaltigen und dich sogar ermorden, aber sie können dir niemals deine Gamantenseele nehmen. Nicht, solange du dich daran zu erinnern vermagst, wer und was du bist.
Amirah unterdrückte den Schrei, der sich in ihrer Brust gebildet hatte, doch einige ihrer Tränen fielen auf das wunderbare Blau des Kelchs. »Großmutter, wenn du mich jetzt hören kannst, dann glaub mir, daß es mir endlich gelungen ist, nicht mehr vor mir selbst davonzulaufen. Ich werde sie für das bezahlen lassen, was sie dir angetan haben.«
Sie trat an den Tisch, nahm die Halskette, um derentwillen Slothen befohlen hatte, Mikael Calas zu finden, und eilte dann aus ihrer Kabine zum Aufzug. »Deck Zwanzig.«
Der Fahrstuhl schwebte hinab. Niemand sonst stieg zu. Ganz allein in der fürchterlichen Stille näherte Amirah sich dem Landedeck. Als die Tür sich auftat, trat Jossel mitten in eine Gruppe von vier Soldaten. Sie machte Jason ein Stück weiter aus. Als er sie kurz darauf entdeckte, drängte er sich durch den Trupp und salutierte vor ihr.
»Die Gefangenen befinden sich bereits an Bord des Shuttles, Captain.«
»Vielen Dank, Lieutenant. Ist der Rest der Truppe vollzählig angetreten?«
»Aye, Sir.«
Hinter Woloc machte sie Lilith Moab, die Chefin ihrer Sicherheitstruppe, aus. Die Frau stand stramm und schulterte ihr Gewehr. Lilith war ständig barsch und übellaunig. Die restlichen Soldaten warfen verstohlene Blicke auf sie und Woloc und wunderten sich wohl, warum der Lieutenant so formell klang.
Amirah legte ihm eine Hand auf die Schulter: »Dann wollen wir mal.«
Sie führte den Trupp an, und Woloc folgte ihr. Sie grüßte Moab militärisch und schob dann die Türen zu Hangar Zweiundzwanzig auf. Das Shuttle lag wie eine silberne Lanze auf dem weißgekachelten Boden. Amirah marschierte direkt darauf zu, und die Soldaten eilten ihr hinterher.
Die beiden Shuttle-Wachen salutierten, als sie die Gangway hinaufschritt. Sie trat ein und begegnete sofort Baruchs Blick. Er saß im letzten Sessel an der linken Wand. Man hatte ihm die Hände und Füße gefesselt. Etwas Eigenartiges lag in seinem Blick, so als versuche er abzuschätzen, wie weit ihren Fähigkeiten zu trauen war.
Ich bin nicht Sefer Raziel, Baruch. Da haben Sie vollkommen recht. Sie war viel mutiger, als ich es je sein werde.
Während Amirah zur Kommandokabine durchging, fiel ihr auf, daß man alle Gefangenen neu eingekleidet hatte. Mikael trug das traditionelle Gamantengewand. Sybil, Funk und Yosef hatten sich ihre Lieblingsroben geben lassen. Und Tahn und Baruch präsentierten sich in den schwarzen Uniformen des gamantischen Untergrunds.
Ihr Blick fiel im Vorübergehen kurz auf Cole. Seine Miene traf sie wie ein Glas Whiskey auf nüchternen Magen. Furcht und
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