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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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beugte sich zu dem Glasbehälter hin. Jeremy blieb neben ihm, aber er lehnte sich nicht nach vorn. Er konnte von seinem Platz aus gut genug sehen.
    Die Flüssigkeit in dem Behälter war gelblich und trüb. Die Haut des schwimmenden Fötus sah ebenfalls gelb aus. Das Ding hatte zwei Köpfe. Seine Augen waren offen. Jeremy fragte sich, ob das Ding was mit der zweiköpfigen Frau zu tun hatte, deren Fotos er in der Galerie der Seltsamen gesehen hatte.
    Cowboy schob sein Gesicht so nahe an den Glasbehälter, dass seine Nase ihn fast berührte. »Sieht wie ’n kleiner alter Mann aus«, sagte er.
    Jeremy schluckte hart und wandte sich ab. Die Gruppe stand um die nächste Kuriosität herum. Die Haarlose und Woody standen nebeneinander, jeweils einen Arm um die Schultern des anderen gelegt. Der Irokese war schräg hinter Jingles, seine Hand wanderte an ihrer Seite auf und ab.
    »Pass mal auf«, sagte Cowboy.
    Jeremy sah ihn an.
    Er fasste den Glasbehälter mit beiden Händen und schüttelte ihn schnell. Der Fötus kippte, schwankte und drehte sich um. Stückchen von irgendwas trieben in der Flüssigkeit.
    Jeremy würgte. Er hielt seinen Mund zu. Er betete, dass er sich nicht übergeben müsste, und wandte sich ab. Dann blinzelte er die Tränen aus seinen Augen und bemerkte, dass Jasper bewegungslos im Dunkel stand. Der alte Mann musste beobachtet haben, was Cowboy tat. Aber er protestierte nicht. Offensichtlich war es ihm egal. Bis Cowboy sein Interesse an dem Fötus verloren hatte, waren Jingles und die anderen schon verschwunden. Zurück blieb eine Mumie, beleuchtet von einem Strahler zu ihren Füßen.
    »Das ist aber nicht Karloff«, kommentierte Jeremy, als er darauf zuging.
    Sie sah anders aus als alle Mumien, die Jeremy je in Horrorfilmen oder in Museen gesehen hatte.
    Sie war nicht eingewickelt.
    Es war ein vertrockneter, bräunlicher Kadaver, der von ein paar an die Wand genagelten Lederstreifen in einer aufrechten Position gehalten wurde.
    Sie hatte keine Augen. Der Kiefer hing herunter. Der rechte Arm war nicht mehr vorhanden.
    »Sieht aus, als wäre er aus Fleischresten gemacht«, sagte Cowboy.
    Um der Schicklichkeit Genüge zu tun, war ein Lappen um die Lenden der Mumie geschlungen. Jeremy nahm an, dass der alte Mann dafür verantwortlich war.
    Als Cowboy sich nach vorn beugte und den Lappen hochhob, schloss Jeremy die Augen.
    »Uuuf!«, sagte Cowboy. »Wer hat denn da die Luft rausgelassen? Komm her und sieh dir das an.«
    Jeremy öffnete die Augen, aber er vermied es, die Mumie anzusehen. Es waren noch zwei weitere Ausstellungsgegenstände im Korridor. Die anderen hatten offenbar schon alle besichtigt und gingen gerade um die Ecke. »Die Mädchen hauen ab«, warnte er.
    »Also los.« Cowboy eilte ihnen nach. Vor dem nächsten Ausstellungsstück wurde er wieder langsamer. Er schielte danach, wandte sich dann aber dem Ende des Korridors zu, als wäre er hin und her gerissen zwischen der Kuriosität und den Mädchen.
    Die Kuriosität siegte.
    Jeremy hatte einen kurzen Blick darauf geworfen und blieb deshalb so weit wie möglich davon entfernt stehen. »Bist du noch nie vorher hier drin gewesen?«, fragte er.
    »Hatte nie vorher Lust dazu. Kann diesen Scheißkerl Jasper nicht ausstehen. Jesses, guck dir das Vieh an!«
    Das Vieh war eine schwarze Spinne, beinahe einen Meter hoch.
    Jeremy warf einen zweiten kurzen Blick darauf und ging weiter.
    Er nahm an, sie wäre tot, ausgestopft.
    Wäre das nicht der Fall, müsste sie ja in einem Käfig sein und nicht einfach da in der Ausstellungsnische stehen, ohne Schutz zwischen ihr und den Besuchern.
    Er eilte zu den drei Schrumpfköpfen, die auf Podesten standen. Er war beinahe erfreut, sie zu sehen. Die affenartigen Gesichter mit den zusammengenähten Lippen und Augenlidern wirkten freundlich, verglichen mit den anderen Kuriositäten.
    Von hinten kam Cowboys Stimme. »Jaspers Giganticus.« Es hörte sich an, als würde er etwas vorlesen.
    Wahrscheinlich von einer der handbeschriebenen Karten, die neben jedem Ausstellungsstück aufgeklebt waren. »Entdeckt von Jasper Dunn im Dschungel von Neuseeland, am 10. April 1951. Armes Viech«, fügte er mit normaler Stimme hinzu. »Wahrscheinlich hat ihm seine Mutter ein paarmal zu oft eins übergebraten.«
    »Hier gibt’s ein paar Schrumpfköpfe«, sagte Jeremy und wünschte, Cowboy würde von der verdammten Spinne weggehen.
    »Ja? Jemand, den wir kennen?«
    Er hörte Cowboys Schritte hinter sich. »Ja. Hm. Lass uns weitergehen.«

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