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Die Gassen von Marseille

Die Gassen von Marseille

Titel: Die Gassen von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilles Del Pappas
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abgewichen … Wenn alle Polizisten so rabiat werden wie Sie, nur weil man ihnen sagt, dass das Mittagessen anbrennt … Was passiert dann erst, wenn man in der Bäckerei eine Karamellstange klaut … Mir tut alles weh … Finden Sie nicht, dass Sie ein bisschen zu brutal sind?«
    Sie befühlt meinen Bizeps.
    »Wissen Sie, Constantin, für einen sammelwütigen Slumbewohner sind Sie erstaunlich kräftig. Es ist übrigens das erste Mal, dass ich so einen kramhortenden Asozialen kennenlerne … und gleich noch einen homerischen Kampf mit ihm austrage.«
    »Asozial! Was fällt Ihnen ein, Bulette …«
    Sie lacht ihr helles, lebenslustiges Lachen … Dann verschwindet sie in ihrem kleinen Zimmer, um zu duschen. Während ich darauf warte, dass sie zurückkommt, werfe ich einen Blick auf die Fotos, die neben dem Eingang an der Wand hängen. Das erste zeigt ein weißhaariges Paar. Sie scheinen sich zu lieben. Zumindest schauen sie sich verklärt an und ignorieren den unsichtbaren Fotografen völlig. Es sieht so aus, als wären sie ganz allein auf der Welt.
    Vom Typ her Intellektuelle, das müssen die Lehrereltern sein …
    Im Rahmen links daneben steckt ein einzelner Mann. Er ist groß und steht aufrecht da. Um die vierzig, blaue Augen, das Bild ist bestimmt irgendwo südlich des Mittelmeers aufgenommen worden, Maghreb oder so. In der Hand hält er einen Abenteurerhut. In einer Ecke des Fotos erkennt man ein Stück von einem Range Rover, dahinter die Wüste.
    »Essen ist fertig!«
    Auf frischer Tat beim Schnüffeln ertappt, drehe ich mich um und falle fast hintenüber. Überraschung! Claudia hat sich umgezogen … Ich mache keinen Hehl aus meiner aufrichtigen Bewunderung.
    »Meine Güte, hier wohnt ja eine Frau!«
    Sie lächelt geschmeichelt. Komisch. Sie hat gar nicht viel gemacht. Nur ein Oberteil, das den Ansatz ihrer kleinen, runden Brüste erkennen lässt, und einen unten ausgestellten geblümten Minirock, der – o welch Glück! – den Blick auf ihre muskulösen, gebräunten Beine freigibt. Schamlos mustere ich sie von Kopf bis Fuß.
    »Warum tragen Sie Sportschuhe und Söckchen zum Minirock? Das erinnert mich ein bisschen an die Teenie-Serien aus dem Fernsehen …«
    Wie wird sie den Scherz aufnehmen? Sie lacht. Puh!
    »Die Sportschuhe trage ich, weil sie bequem sind … In hochhackigen Schuhen hätte ich gegen einen Mann wie Sie nie und nimmer eine Chance. Sie sind ja eine richtige Naturgewalt! Mit den Schuhen kann ich wenigstens weglaufen, falls Sie versuchen sollten, hemmungslos und wild über mich herzufallen.«
    Sie wirft mir einen aufreizenden Blick zu, ganz wie ein richtiges Luder, eine verschwenderische Geliebte. Großer Gott! Falls ich jemals wieder Appetit bekommen sollte, würde ich nicht nein sagen, Kleines. Und du würdest es als Erste erfahren … Obwohl … bei deinen Judokünsten sollte ich dabei nicht meine Manieren vergessen …
    »Keine Sorge … Ich werde brav sein wie ein Engel. Ein guter Engel natürlich … Die heilige Theresa von Avila gewissermaßen!«
    Ich weiß auch nicht, wie ich darauf komme.
    »Aber ja …«, antwortet sie verträumt. »Ich sehe Sie schon vor mir, in einem blauen Kleid in einer dunklen, feuchten Höhle, wo es nach Weihrauch und Erde riecht. Und dort erscheinen Ihnen abwechselnd die Jungfrau Maria und der Heilige Geist … So, das reicht für heute an religiösen Fantasien! Setzten Sie sich, mein lieber heiliger … wer überhaupt? Heiliger Constantin … Gibt es den überhaupt? Nein, nein! Bei Ihnen fallen mir eher andere Gottheiten ein. Bacchus zum Beispiel …«
    Sie fährt fort, als hätte sie eine Vision: »Ja, natürlich, ich sehe … Ich sehe tatsächlich Bacchus’ Heiligenschein!«
    »Bacchus hat keinen Heiligenschein …«, widerspreche ich. »Ich bin empört über dieses bacchusophobe Sakrileg.«
    Jetzt geht sie in die Offensive.
    »Na gut, meinetwegen, dann hat Bacchus eben kein Dings auf dem Kopf, obwohl ich mich durchaus an kleine Hörnchen zu erinnern glaube … Aber nun zu Tisch, mein bacchusophiler Gast, zu Tisch!«
    Diesen hat sie unter den Platanen gedeckt, wo die Zikaden außer Rand und Band sind und einen Heidenlärm veranstalten … Ich liebe diese Bäume, die in der Provence wegen ihres herrlichen Schattens geschätzt werden.
    Alles ist weiß … Ein geschmackvoll arrangierter Strauß granatroter Rosen steht zwischen den Tellern.
    »Kennen Sie Aristophanes? Einer Ihrer Vorfahren, der um vierhundert vor Christus in Athen lebte.«
    Sie hebt den Arm,

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