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Die Gassen von Marseille

Die Gassen von Marseille

Titel: Die Gassen von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilles Del Pappas
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Sie ist ja auch kurz danach weggegangen …«
    »Weggegangen? Wohin?«
    Ich versuche mich zu erinnern, wer mir damals davon erzählt hat. Plötzlich fällt es mir wieder ein.
    »Das war Patrick … Er hat sie getroffen, kurz bevor sie in einen Flieger nach Kalifornien gestiegen ist …«
    »Dein Kumpel, der Bildhauer?«, will Philippe wissen.
    »Damals war er noch kein Bildhauer, sondern hat Kastanien verkauft … Und hat damit ein Heidengeld verdient.«
    »Im ganzen Haus hat es nach Kastanien gerochen«, schimpft Esther.
    Patrick war einst mein Nachbar. Unsere Terrassen lagen nebeneinander. Ursprünglich war es eine Gemeinschaftsterrasse, dazu gedacht, die Wäsche dort zu trocknen. Wir sind unweigerlich Freunde geworden. Er stammte aus Paris und war der Liebe wegen in den Süden gezogen. Eine Korsin … Janine … groß, braunes Haar, mit einem hübschen Lächeln. Aber so ein boucan …
    Eines schönen Tages wollte die Gute ihren Liebsten den Verwandten in Korsika vorstellen. Also kommt der blanquinas in das Dorf, und zunächst läuft alles gut. Der Vater lässt seine Tochter in seinem Bett schlafen, er wird zum Essen eingeladen, man stellt ihn überall vor.
    Aber plötzlich, wie ein Provence-Gewitter …
    Patrick hat immer gesagt, dass er es einfach nicht verstanden hat. Es war das Aufeinanderprallen zweier Kulturen. Patrick stammte aus einer Gemeinde im Département Haute-Loire. Dürre Ziegen, die man bei pfiffigen Bauern kauft … Joints, Stapel mit dreckigem Geschirr, Mädchen … Auf Korsika kam schon sein schulterlanges Haar nicht besonders gut an. Aber als er sich am nächsten Morgen die Füße im Brunnen wusch …
    »Ihr Vater hat zu mir gesagt: ›Steig ein, Kleiner, wir fahren eine Runde.‹ Ich dachte, er wollte mit mir irgendwo einen Pastis trinken …«
    Stattdessen hat er meinen Freund an der Fähre nach Marseille abgesetzt und ihm seine Knarre gezeigt.
    »Siehst du das, Kleiner?«, hat er gefragt. »Siehst du diesen Revolver … Der wartet auf dich, falls du jemals hierher zurückkommst … Mi! Schau her, Kleiner, ich habe sogar deinen Namen in die Kugel eingraviert.«
    Und der Alte hat ihm sein Art-Brut-Kunstwerk gezeigt, die berühmte Bleikugel. Darin eingraviert: Patrick Dubois.
    Später hat er eine Freundin von mir geheiratet, Setti, eine Medizinstudentin. Er war es, der mir Alix vorgestellt hat, und er hat sie auch als Letzter gesehen, ehe sie sich in die Staaten absetzte. Er hat mir davon erzählt.
    »Zufall, reiner Zufall … Im Februar … Ich habe meine Schwester Sylvia nach Marignane gebracht. Also verabschiede ich mich von ihr, Küsschen links, Küsschen rechts, wie es sich gehört, und schaue ihr nach, wie sie auf der Rolltreppe nach unten verschwindet. Da klopft mir jemand auf die Schulter! Ich drehe mich um und stehe vor einem Starlet, mit Sonnenbrille um zehn Uhr abends!«
    Das war sie. Sie fallen sich in die Arme. Sie erzählt ihm, dass sie in die Vereinigten Staaten zieht, sie trinken einen Kaffee zusammen, das war’s.
    Philippe lässt nicht locker.
    »Das war wirklich alles?«
    Ich denke nach, denn ich weiß, da ist noch etwas, aber ich komme nicht drauf. Erst Esther löst meine mentale Blockade.
    »Abgesehen von den Postkarten …«, sagt sie.
    »Ach ja, klar … Abgesehen von den Postkarten, die sie mir jedes Jahr zu unserem Geburtstag geschickt hat.«
    Philippe ist ganz aufgeregt.
    »Und du hast sie behalten?«
    »Ja, die müssen irgendwo auf meinem Schreibtisch liegen …«
    Ich krame ein bisschen herum und finde eine aus dem letzten Jahr. Als ich sie meinem Freund gebe, zieht er eine Augenbraue hoch.
    »Wie originell! Liebe Küsse von deiner Zwillingsschwester im Herzen. Kurz und knackig!«
    Er wirkt enttäuscht.
    »Es war jedes Jahr die gleiche …«
    Jetzt denkt er nach. Dann steht er auf und gibt mir die Karte zurück.
    »Okay, ich mache mich mal wieder an die Arbeit …«
    »Du gehst?«
    »Ja, wird langsam Zeit … Ich glaube, für dich ist die Gefahr jetzt erst mal gebannt. Die beiden Killer sind tot, und sie waren nur ein Zweierteam … Trotzdem schicke ich dir lieber gleich eine Zivilstreife. Man weiß ja nie … Falls der Auftraggeber ein neues Team zusammenstellt … Also gut, ich bin dann weg.«
    Wir küssen uns zum Abschied. Auch Esther steht auf.
    »Ich muss meine Toten auf Saint-Pierre besuchen. Es ist schon so lange her …«
    »Ihre Familie ist in Marseille begraben?«
    Sie nickt.
    »Alle in Saint-Pierre. Ich habe die Asche zurückbringen lassen. Asche … Na ja,

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