Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
auffing, hob er beide Hände. »Wie Ihr gesagt habt, ich bin ganz handzahm.«
Wortlos griff Gerald an, doch Wulfhard war zu schnell für ihn. Erst als Geralds Faust sein Ohr streifte, veränderte sich etwas in seinem Gesicht. Seine Augen wurden kalt. Er drosch Gerald seine Rechte in die Nieren, packte sein Handgelenk und verdrehte ihm den Arm. »Ich hab dich gewarnt!«
Gerald versuchte vergeblich, sich zu befreien. »Ich hätte mir denken können, dass ein Mörder nicht fair kämpft!«, keuchte er. »Verdammt, Eckhard, warum ist das Schwein nicht tot?«
Der Mönch hatte die beiden Pferde inzwischen unter Kontrolle gebracht, trotzdem machte er keine Anstalten, in den Kampf einzugreifen. Erst als er sah, dass Fridrun sich zwischen die beiden Männer werfen wollte, machte er einen Schritt vorwärts. Er packte ihre Hand und riss sie zurück. Ohne die Stimme zu erheben, befahl er: »Das genügt!«
Augenblicklich endete der mörderische Druck auf Geralds Knochen. Der Schmied kam taumelnd auf die Füße. »Das nächste Mal bring ich ihn um!«
Er wartete auf eine höhnische Antwort, aber zu seiner Überraschung wich Wulfhard seinem Blick aus. Wortlos ging er zu den Pferden und streichelte ihre bebenden Flanken.
»Ruhig Blut.« Eckhard fasste Geralds Oberarm und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. »Dieser Mann ist frei. Nimm es hin. Und lerne Demut.«
»Ich bring ihn um!«
Kopfschüttelnd ließ Eckhard Gerald los und gab Fridrun ein Zeichen.
Die junge Frau nickte. Ihre Stimme zitterte kaum, als sie die Männer zum Frühmahl rief. »Abkühlen könnt Ihr Euch mit einem Becher kaltem Wasser!«, schloss sie und verschwand in der Hütte.
Wulfhard ließ die Zügel los. »Aber mit Vergnügen.«
»Du nicht!«, stieß Gerald hervor. »Du setzt keinen Fuß über meine Schwelle! Eher erschlage ich dich mit meinem Hammer. Versorg die Pferde!«
Wulfhard öffnete seinen Mund, aber da er Eckhards Gesichtsausdruck sah, schloss er ihn wieder und nahm widerspruchslos die Zügel.
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Eckhard schob den hölzernen Teller von sich und betrachtete nun Gerald, der seine Schilderung beendet hatte, mit nachdenklichem Gesicht. Im blassen Morgenlicht war nicht zu erkennen, ob die Beschreibung der Leichen ihn erschütterte oder kalt ließ. »Reinmar war übel entstellt«, fasste er zusammen. »Doch warum die Schnitte im Gesicht und … das andere.« Er runzelte die Stirn.
»Ich …« Als Fridrun die Blicke der beiden Männer auf sich gerichtet fühlte, senkte sie den Kopf und verstummte.
»Ja?« Eckhard lächelte ihr aufmunternd zu. »Wenn du eine Idee hast, sprich nur.«
Sie sah Eckhard dankbar an. »Nichts für ungut, aber ist das nicht offensichtlich? Er war mit einer Frau zusammen, als er ermordet wurde.« Sie machte eine entsprechende Handbewegung.
Eckhard starrte sie an, während Gerald rot anlief, dann brach er in Gelächter aus. »Bei Gott, Fridrun, du hast ein loses Mundwerk. Allerdings«, fuhr er fort, nachdem er sich beruhigt hatte, »war Hildes Körper nicht verstümmelt, nicht wahr?«
»Nein, der Pfaffe hat gesagt, sie habe nur eine Wunde im Rücken gehabt.«
Eckhard legte die Fingerspitzen zusammen und sah vor sich hin. »Angenommen, Fridrun hat recht …«
»Hab ich.«
Eckhard lächelte. »Gut, angenommen, Hilde und Reinmar haben sich zu einem Stelldichein am See getroffen und wurden vom Mörder überrascht. Reinmar wird getötet, Hilde läuft weg, wird eingeholt und ebenfalls ermordet. Dass der Mörder sich die Zeit nimmt, Reinmar anschließend zu kastrieren, ist in meinen Augen ein Zeichen für Hass, Hass auf den Mann, vielleicht auf den Verführer. Warum aber das Mädchen töten? In den Augen des Mörders müsste sie doch ein Opfer gewesen sein.«
»Weil sie ihn erkannt hat.«
Alle blickten zur offenen Tür, an deren Zarge Wulfhard lehnte.
Gerald sprang auf. »Raus aus meinem Haus!«
Wulfhard zeigte auf seine Füße. »Ich habe Eure Schwelle nicht übertreten. Also regt Euch nicht auf.« Er sah Gerald offen an. »Ihr hasst mich, Schmied, und glaubt es oder nicht, das kann ich sogar verstehen. Trotzdem überseht Ihr alle etwas Wichtiges. Ich habe die Leiche auch gesehen. Und das war nicht die erste in meinem Leben. Darf ich reden?«
Eckhard legte die Fingerspitzen auf Geralds geballte Rechte und nickte.
»Das Boot, unter dem Reinmar lag, war nicht der Ort, an dem er gestorben ist. Da war zu wenig Blut. Die Vermutung des Mönchs dürfte zutreffen, dass die beiden am See getötet worden sind. Aber
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