Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
betteln!«
Elsbeth senkte den Kopf und wandte sich ab.
»Und Kunigunde?«, warf Tankmar leidenschaftlich ein.
»Ruhe!«, rief Ansgar. Es war das erste Mal, dass er die Stimme erhob. Ihre dunkle Klangfarbe erinnerte Eckhard an eine Glocke. Er starrte den Sänger an. Der erwiderte den Blick unbefangen, doch Eckhard sah, dass seine Hände bebten, als er ihm den Wein reichte. »Trinkt mit uns. Die Not macht uns zu schlechten Gastgebern.«
»Gern.« Eckhard setzte den Krug an die Lippen, genehmigte sich aber nur einen kleinen Schluck, ehe er den Wein weiterreichte. »Gibt es sonst noch Gründe, euch mit den Toten in Verbindung zu bringen? Außer dass ihr Fremde seid? Habt ihr sie gekannt?«
Ansgar schüttelte den Kopf. »Der Verwalter hat uns einen Besuch abgestattet, aber das war alles. Das Mädchen haben wir nicht einmal gesehen.«
»Was hat er denn gewollt?«
»Das Übliche. Dass wir keine Bäume fällen, uns von Häusern und Ställen fernhalten, keine Frauen belästigen …« Müde schüttelte er den Kopf.
»Ja, aber unsere Frauen …!«, setzte einer der Spielleute an.
»Hat niemand angerührt«, unterbrach Ansgar. Seine Hände zitterten stärker.
Tankmar riss den Kopf hoch. »Wie kannst du das behaupten? Du hast doch selbst gesehen, wie er Kunigunde …«
»Was?«, fragte Eckhard rasch.
»Es ist nichts passiert.« Ansgar schaute dem Mönch fest ins Gesicht. »Jedenfalls nichts, was unsere Frauen nicht gewohnt wären. Ich möchte Euch bitten, es auf sich beruhen zu lassen, Herr. Ich verbürge mich für jeden dieser Männer. Wir wollen keinen Ärger.«
»Den Ärger hat Reinmar bekommen«, bemerkte Wulfhard mit einem trägen Lächeln.
»Aber nicht von uns!«
»War er lange hier?«, fragte Eckhard.
Der Gaukler, der sich schon einmal ins Gespräch gemischt hatte, schüttelte den Kopf. »Er schien es eilig zu haben, wohl wegen dem da.«
»Ich heiße Wulfhard!«
Eckhard gab ihm einen warnenden Tritt, während er weiterfragte: »Über das tote Mädchen wisst ihr nichts?«
»Ihr fragt viel, Mönch.«
Eckhard lächelte. »Ich bin ein Diener Gottes. Daher muss ich die Schliche des Teufels begreifen, um Gottes Schöpfung zu bewahren. Denn in allem, auch im Bösen, steckt eine gewisse Logik.«
»St. Gallen!«, rief Ansgar plötzlich und starrte Eckhard an. »Weihnachten vor acht Jahren in St. Gallen. Daher kenne ich Euch. Wir haben im Kloster für König Konrad aufgespielt, und Ihr habt es missbilligt. Das sei gegen Gottes Schöpfung und widerspreche der Logik stiller Andacht. Der Abt selbst hat Euch befohlen, Euch zu mäßigen.«
»Dann seid Ihr tatsächlich dieser Ansgar.« Eckhard schüttelte ungläubig den Kopf. »Mir war gleich so, als ob wir uns schon begegnet sind. Sonst hätte ich von Eurer Truppe allerdings niemanden erkannt.«
»Es sind neue Gesichter hinzugekommen, andere haben uns verlassen. Das Leben eines Fahrenden ist ständigem Wechsel unterworfen. Ein einziges Wort, eine einzige Anschuldigung kann über unser Schicksal entscheiden.« Ansgars Blick blieb kurz an Tankmar haften. »Das Leben hinter Klostermauern verläuft ruhiger.«
»Trotzdem verfügt Ihr über ein hervorragendes Gedächtnis. Was war ich jung damals!«
Der Spielmann lachte leise. »Es ist schwer, einen jungen Mönch zu vergessen, der nach dieser Brandrede bei einem meiner Lieder mitsingt.«
Wulfhard hob überrascht den Kopf. Als er die leichte Röte auf Eckhards Gesicht sah, brach er in schallendes Gelächter aus. »Mönch«, prustete er, »Ihr steckt voller Überraschungen. Ich würde einiges dafür geben, zu erfahren, welches Lied das war.«
Mit einem koboldhaften Lächeln griff Ansgar nach seiner Laute und schlug die Saiten an. Eckhard wurde noch röter, aber was er sagen wollte, ging im allgemeinen Gelächter unter.
»Ich sehe, ihr kennt das Lied alle!«, rief Ansgar. »Was ist mit Euch, Mönch? Wie gut ist Euer Gedächtnis?«
»Zu gut!«, antwortete Eckhard und breitete die Arme aus. Er stand auf und stellte sich neben Ansgar. Der alte Spielmann nickte ihm auffordernd zu. Eckhards Züge wurden weich. Er blickte ins Feuer und begann zu singen. Ganz allmählich wurde es still. Einer der Männer stand leise auf und jonglierte mit ein paar brennenden Kienspänen, bis der Mönch und der Spielmann das Lied beendeten.
Johlender Beifall folgte auf den Vortrag, während Wulfhard sich zu Eckhard beugte und ihm zuraunte: »Und Ihr erzählt mir noch mal was über Gottesfurcht!«
»Wann immer du wünschst«, sagte Eckhard
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