Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
wolle er aufspringen, aber die Gegenwart des Mönches hielt ihn zurück. »Verzeiht ihr, Herr. Sie kann halt ihr Maul net halte.«
»Ihr habt Reinmar für einen schlechten Verwalter gehalten?«, erkundigte sich Eckhard.
»Aber g’wiss! Wenn’s wenigschtens der Rigbert g’wese wär. Der lebt au nach Gottes Gebote.«
Isentrud wandte sich heftig ab.
»Backt Ihr auch Honigkuchen, Isentrud?«, fragte Eckhard sie.
»Ja, sie backt gut. Etwas muss sie ja könne.« Dietger lachte hässlich auf. »Sie geht jede Woche einmal raus zum Grafe, um Honigbrot zu bringe.«
»Wann wart Ihr das letzte Mal dort?«
»Sie muss heut wieder raus. Die Gudrun wartet, weil ja bald der Graf und die Gräfin zurückkomme.«
Eckhard biss eine ärgerliche Bemerkung zurück. »Isentrud«, sagte er betont. »Habt Ihr Hilde gekannt?«
»Mein Weib redet net mit gottlose Hure.«
»Dietger, bitte! Lasst Eure Frau antworten.« Mit sanfterer Stimme wiederholte der Mönch: »Habt Ihr?«
»Nur vom Sehen«, sagte sie tonlos. »Sie war sehr schön.«
»Eine Hure!«, giftete Dietger. »Würd mich net wundern, wenn die von irgendeinem schon den Balg im Bauch ghabt hätt. Na, wenigschtens hätt sie Kinder bekomme könne.«
Isentrud wurde totenbleich.
Eckhard machte eine unbeherrschte Bewegung. »Gott der Herr schenkt die Kinder«, sagte er zu der Frau, doch sein Trost prallte an ihrem starren Gesicht ab. Ihre Augen waren wie aus Stein. Eckhard fragte sich, wann sie die letzten Tränen vergossen haben mochte. Plötzlich wollte er nur noch fort aus diesem Haus. Dietgers gehässige Worte rauschten an ihm vorbei.
»Die Hilde, die hatte ein Becken, da hätt schon ein Kind reingepasst. Und aus Eis war sie auch net. Irgendwann hätt die als Hübschlerin geendet, das schteht fest. Weiber, in denen schteckt die Sünde, net wahr? Net wahr?«
Eckhard sprang auf. Er fühlte sein Herz heftig schlagen. »Ich will Eure Zeit nicht länger beanspruchen!«, rief er und wandte sich ab.
»Ich bring Euch raus.« Dietger folgte Eckhard. »Ihr müsst ihr verzeihe, das Weib isch net zum Gottgefalle gerate.«
»Ihr verzeihe ich.«
Dietger nickte zufrieden. Eckhard sah die satten Farben draußen und zögerte, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dieser Hütte zu entkommen, und dem Drang, eine letzte Frage zu stellen. Die Neugier siegte. »Hat Eure Frau auch Reinmar gekannt, wenn sie öfters auf dem Gut war?«
Dietgers Gesicht schnappte zu. »Nein!«, sagte er. »Nie!«
VII
Die Aussicht von der Mauer bot einen klaren Blick über die Felder und das Waldstück, hinter dem Buchhorn und der See lagen, bis hin zu den Alpen. Die Sonne wärmte das Land. Trotzdem glaubte Rigbert, das Ziehen seiner alten Verletzungen zu spüren, das unweigerlich auf einen Wetterumschwung hindeutete. Er hörte Gudruns Stimme, wandte sich um und schaute hinunter, wo eine schlanke, dunkelhaarige Frau gerade die Kurbel des Brunnens betätigte.
Gudrun stand im Eingang der Küche und rief: »Ein Eimer genügt!«
»So muss ich nicht zweimal gehen«, antwortete die jüngere Frau, während sie einen zweiten Eimer füllte und beide mit unbewegtem Gesicht zu der alten Köchin trug. Rigbert musste grinsen. Diese Kunigunde gefiel ihm. Es gab nicht viele Frauen auf Buchhorn, die Gudruns Wünsche derart selbstbewusst übergingen. Und es gab nicht viele mit einer solchen Taille und solchen Haaren. Rigbert schnalzte mit der Zunge, als die junge Frau ihre Last mühelos in die Küche trug.
»Die hätte meinem Bruder gefallen«, murmelte Rigbert, und sein Gesicht verfinsterte sich. »Aber er ist tot. Ich lebe. Vielleicht sollte ich einmal …«
Das Bild eines Reiters, der den Weg von Buchhorn heraufkam und ein zweites Pferd am Zügel mit sich führte, schob sich zwischen ihn und seine Tagträume. Rigberts Hände schlossen sich fester um den Sims. »Das muss ein Trugbild sein!«
Wie zur Antwort verwandelte die schräg stehende Sonne das wirre Haar des Reiters in einen diabolischen Heiligenschein, der im Spiel von Licht und Schatten aufblitzte und wieder verlosch. Rigberts Gesicht verfärbte sich. »Da soll mich doch der Teufel holen!«, fluchte er. »Dieser Kerl … dieser …« Er stürmte die Stufen ins Burginnere hinab, riss die Tür zur Küche auf und baute sich vor der erstaunten Köchin auf. »Gudrun!«, blaffte er. »Dein Sohn kann sich auf etwas gefasst machen!«
Sie legte ohne Hast den hölzernen Löffel aus der Hand. »Welcher?«
»Du weißt genau, welcher! Eberhard, der nichtsnutzige
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