Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
Plötzlich fielen ihm Annas Worte ein.
»Dietger«, flüsterte er und drehte sein Gesicht in den immer stärker auffrischenden Wind. »Du magst doch Feuer, nicht wahr? Und noch regnet es nicht …« Er grinste gemein. »Was brennt wohl schöner, dein Haus oder deine Bienenstöcke?«
Eine einsame Gestalt bewegte sich zwischen den Körben hin und her. Wulfhard reckte den Hals. »Du bist also Dietger. Na, wie wird es dir gefallen, deine Bienen in Rauch aufgehen zu sehen? Oder … Und wen haben wir denn hier? Holla, die hätte ich dir gar nicht zugetraut!« Er pfiff durch die Zähne und musterte die Frau, die vom Haus her kam. Ihr Gesicht konnte er nicht erkennen, aber ihr Körper wirkte jung und biegsam.
»Ich brauche noch Honig für den Kuchen.« Ihre ausdruckslose Stimme stand in einem seltsamen Kontrast zu den Lichtern, die in ihren dichten, geflochtenen Haaren spielten.
Dietger fuhr herum. »Hasch den Kuche für Gudrun noch net fertig? Wege diesem Teufelsbalg?«
»Ich habe nur einer leidenden Frau geholfen.«
»Dir werd ich helfe!«, schrie Dietger. Er schlug sie mit voller Wucht ins Gesicht. Sie taumelte. Er schlug wieder zu, seine Hiebe trafen wahllos ihren Körper und ihr Gesicht. Sie schrie nicht, wehrte sich nicht einmal.
Wulfhard hielt den Atem an. In den Schatten der Bienenkörbe geduckt schlich er näher. Inzwischen hatte Dietger seine Frau auf den Boden geworfen und zerrte ihren Leinenrock hoch. Die Frau hatte die Augen geschlossen, und Wulfhard sah, wie sich ihre Lippen bewegten, aber was sie sagte, ging in dem Keuchen ihres Mannes unter. »Ich krieg noch ein Kind von dir, Weib, und wenn du dabei krepiersch. Ich bin dein Mann, ich hab Rechte!«
Sie lag unter ihm wie tot. Wulfhard fühlte, wie sich sein Glied versteifte, während Dietger sich auf seine Frau wälzte. Bilder des reglosen Körpers auf dem Boden mischten sich mit der Erinnerung an Kunigundes spöttischen Mund. In diesem Moment drehte die Frau den Kopf. Ihre Augen, die eben noch grau und leer wie Schiefer gewesen waren, weiteten sich. Ertappt wich Wulfhard zurück, aber es war zu spät.
»Was?«, schnaufte Dietger und hob den Kopf. Er sah die schemenhafte Gestalt im Zwielicht zwischen Tag und Nacht und stieß einen gellenden Schrei aus, als er Wulfhard erkannte. Stolpernd kam er auf die Füße. Mit einer Hand zerrte er die Hose hoch. Die andere war halb flehend, halb abwehrend ausgestreckt. »Du bisch tot! Tot!« Als Wulfhard einen Schritt vorwärts machte, stieß der Imker ein zweites Heulen aus und stürzte kopflos davon.
Wulfhard warf den Kopf zurück und begann schallend zu lachen. »Der Trottel! Der hält mich doch tatsächlich für einen Geist!« Er stützte die Hände auf die Oberschenkel und rang nach Atem. »Und du? Hältst du mich auch für einen rachsüchtigen Toten?« Er prustete.
Mit ausdruckslosem Gesicht schob die Frau ihr Kleid nach unten. »Geister stinken nicht nach Pferd.«
Verdutzt sah er sie an. Ihre Knöchel schimmerten dünn und weiß unter dem Rocksaum hervor. Seine Gedanken kehrten jäh zu ihrem nackten, schutzlosen Fleisch zurück.
Die Frau sah zu ihm auf. Im letzten Tageslicht war ihr Gesicht kaum noch zu erkennen. »Willst du auch?«
Wulfhard schluckte. »Hier?«
»Wo auch immer. Ich hab doch gesehen, wie du Dietger und mich angestarrt hast. Er ist weg, und dafür bin ich dir dankbar. Also komm.« Sie stand mühsam auf und ging zum Haus, ohne darauf zu achten, ob er ihr folgte.
Nachdem sie die Hütte erreicht hatte, lief er hinter ihr her. »Wie heißt du überhaupt?«
»Isentrud.«
»Willst du nicht wissen, wer ich bin?«
»Du bist Wulfhard. Der Mörder.« Sie zündete an der Glut der Feuerstelle eine Kerze an und stellte sie auf den Tisch. Der kleine Lichtfleck erhellte die nächste Umgebung, die benutzten Holzbrettchen, die von einem gemeinsamen Abendmahl erzählten, den leeren Bierkrug. Süßer Honigduft hing in der Luft. Isentrud lehnte sich gegen die Wand und raffte ihren Rock. »Mach schon.«
Er stierte auf ihre weißen Hüften. Die roten Striemen, die ein Gürtel gerissen haben musste, zeichneten sich scharf auf der hellen Haut ab. Aus ihrer Nase rann Blut.
»Du bist verrückt, Weib«, sagte er rau. »Bedeck dich!«
»Warum? Ist doch gleich, wer es tut!«
»Mir nicht! Ich nehm kein Fallobst.«
»Fallobst?« Der Saum ihrer Tunika berührte mit leisem Rascheln den Boden. In ihren Augen blitzte ungezügelter Hass. »Du findest mich abstoßend? Na und? Du bist ein Mann. Du bist nicht
Weitere Kostenlose Bücher