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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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sie wolle nach Heu fragen. Mit wild schlagendem Herzen drückte sie sich durch die schmale Pforte hinaus und häm merte gegen die Klosterpforte.
    Hinter der Tür rumpelte etwas, und jemand brummte. Endlich ging das Fenster auf, und das rote Gesicht eines Laiendieners sah hindurch. Anna konnte nur ein paar kleine helle Augen und ein Stück blonden Haars erkennen.
    »Es ist nicht die Stunde für Besuche«, kam er ihr zuvor. »Die Kir che hat einen eigenen Eingang, dort herum.«
    »Ich muss den Herrn Propst sprechen.« Anna schob die Hand in das Fenster.
    »Ein geringeres Anliegen hast du nicht?« Er musterte ihr rotes Kleid. »Wenn du beichten willst, komm morgen vor dem Hoch amt.« Er wollte das Fenster schließen.
    »Asyl!«, stieß Anna hervor.
    Das Fenster, das schon halb geschlossen gewesen war, öffnete sich wieder einen Spalt. Anna schickte ein Stoßgebet zum Him mel.
    »Asyl, so kurz vor dem Essen! Also gut, ich frage nach. Wenn ich nicht wiederkomme, dann guten Appetit!«
    »Wer um Asyl bittet, muss sofort eingelassen werden«, widersprach sie. Der Diener rümpfte die Nase – und das Fenster schlug zu.Verzweifelt sank Anna zu Boden und presste die Stirn gegen das Holz.
    Der Riegel knirschte, die Tür bewegte sich. Erleichtert sprang Anna auf und drückte sich durch den Spalt ins Innere.
    Dankbar folgte sie dem dicken Subdiakon durch die weitläu figen Gärten der Enklave. Er führte sie zu einem langgestreckten Steinhaus mit Holzaufsatz, dem Kelterhaus. Offenbar sah der Propst selbst nach den Abgaben seiner Weinbauern. Schon im breiten Tor hörte sie Lachen, Musik und laute Rufe.
    Ein betäubender Duft nach Trauben schlug ihr entgegen. Licht fiel durch die Fensterschächte und beleuchtete die großen Bot tiche. Mit nackten Füßen stampften gutgelaunte Männer die Trau ben, und der Saft floss durch eine Öffnung von den größeren Be hältern in die kleineren. Die Arbeiter trugen nur ihre kurzen Cotten, es war eine schweißtreibende Arbeit. Aber sie waren nicht so außer Atem, um sich nicht gegenseitig aufzuziehen.
    »Mit den mageren Haxen willst du Wein stampfen? Da hättest du besser deine Frau geschickt, das wäre wenigstens hübsch.«
    »Pass auf, du! Deine eigenen Füße kannst du vor lauter Fett ja kaum bewegen!«
    Das Trampeln der Füße erinnerte Anna an etwas. Eines von Falconets Liedern hatte denselben stampfenden Rhythmus: In Taberna quando sumus … Wenn wir zur Taverne gehen, fürchten wir nicht Tod und Teufel …
    »Das wird der Klosterwein für den Propst und die Chorherren«, sagte der Subdiakon. Er zeigte auf die große hölzerne Kelter, die von zwei kräftigen Männern bedient wurde. »Das zerstampfte Mark wird hier noch einmal gepresst, das gibt den Kelter- und schließlich den Tresterwein für die Diener.«
    Der Propst hatte sie bemerkt, ein drahtiger großer Mann von vielleicht vierzig Jahren im schwarzen Leibrock und weißen Chorhemd. Allerdings trug er statt des bescheidenen Käppchens der Chorherreneinen modebewussten Wollhut. Er unterbrach das Gespräch mit seinem Sekretär.
    »Das Mädchen behauptet, sie hätte etwas für Euch, hochwür digster Herr Propst«, rief der Diakon. Er gab Anna einen Stoß in den Rücken. »Los! Und benimm dich gefälligst zurückhaltend!«
    Annas Finger schlossen sich fest um Falconets Spielmannsbuch, das an ihrem Gürtel hing, und streichelten den Einband. Es fiel ihr schwer, es wegzugeben, als würde sie den Gaukler dadurch endgültig gehen lassen. Aber sie musste weg aus Raouls Nähe.
    »Das Buch gehörte dem Gaukler Falconet.« Sie reichte es dem Propst, und ihre Stimme zitterte. »Es war sein letzter Wunsch, dass ich es Euch bringe, Herr. Er meinte, es gehöre hierher.«
    »Falconet … ich erinnere mich an einen Gaukler, der hier ein mal überwinterte. Er ist tot?« Der Propst begann zu blättern, hielt inne und sah sie wieder an. Er faltete das Pergament auf und be trachtete nachdenklich die Darstellung mit dem Schicksalsrad. »Das lag darin?« Er sah auf. »Ja, das kenne ich. Es gehört uns.«
    Der Sekretär hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt, um auch einen Blick auf das Blatt zu werfen. Er war ein junger, eine Spur zu kräftiger Mann, dessen Augen ständig überall waren. Anna war sicher, dass ihm kaum etwas von Belang entging.
    »Das ist doch von dem Kärntner Buchmaler«, stieß er über rascht hervor. »Erinnert Ihr Euch, der Mann, von dem …«
    »Ich habe Euch nicht gefragt, Herr Barnabas«, fiel ihm der Propst ins Wort. »Erinnert

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