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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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der Gestürzten. Die bleiche Haut war bereits mit Reif überzogen. Wir sind zu spät!, dachte sie verzweifelt. Sie legte ihr Gesicht dicht an das der Frau und spürte erleichtert einen flachen Hauch. »Sie lebt!«, rief sie hinauf. »Beeilt euch!«
    Vorsichtig kamen die Männer den Hang herab und legten die Frau auf eine Decke. Sie hatten einen einfachen Holzschlitten mit gebracht – zwei Äste, zwischen die ein festes Tuch gespannt war. Ein kräftiger Laiendiener legte sich den Riemen um die Brust und zog die behelfsmäßige Sänfte.
    Anna fror erbärmlich und sehnte sich danach, die Füße ans Feuerzu halten. Trotzdem war sie unendlich erleichtert. Unwillkürlich hielt sie nach Raoul Ausschau, als sie durchs Tor kamen. Aber er war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich schlief er noch.
    Das Hospital besaß einen großen kahlen Raum im Erdge schoss. Hier erholten sich erschöpfte Büßer, bekamen ein Fußbad und Salben, und fahrende Bettler konnten ihre Geschwüre pfle gen lassen. Jetzt waren nur wenige Pilger hier: eine Schwangere, die bald gebären würde, ein alter Mann, der sich ein böses Fieber zugezogen hatte, und ein junger Bursche, der aus Übermut die Reise angetreten und sich schon nach wenigen Meilen auf einem vereisten Saumpfad den Fuß gebrochen hatte.
    Für Annas Findling heizten die Männer den Kamin an und wärmten Ziegelsteine, um sie ihr ins Bett zu legen. Anna hauchte selbst immer wieder in die Hände, um sie zu wärmen.
    Die Mägde steckten bei Annas Anblick die Leinenkopftücher zusammen. »In einem Kloster!«, hörte sie die eine. »Niemand er zählt mir, dass ein junger Mann, der bei Kräften ist, das hübsche Ding nicht anfasst. Und wie die sich anschauen!«
    Obwohl sich Anna die ganze Zeit gesehnt hatte, die nassen Kleider auszuziehen, wurde ihr heiß. Sie war froh, dass sie in dem dunklen Ziegelgewölbe im Eingang warten konnte.
    »Hast du ihn gesehen, mit den schwarzen Augen?«, hörte sie die andere zischeln. »Wie der Leibhaftige. Ich hab ihn jedenfalls noch nie sich mit geweihtem Wasser besprengen sehen. Aber der Herr Propst muss ja wissen, was er tut.«
    In letzter Zeit war Raoul sonderbar abweisend. Anna fragte sich, was sie falsch gemacht hatte, und zugleich hasste sie ihn da für. Er hatte versprochen, sie mit Freudenreich bekannt zu ma chen, dem Spielmann des Grafen von Tirol. Aber bisher hatte er keine Anstalten dazu gemacht.
    Eine schwarzhaarige Frau kam den schmalen Gang entlang. Das Licht fiel auf ihr herzförmiges Gesicht und betonte die Rundung ihres Bauchs. Anna stutzte. Eine Erinnerung kam auf, an ihre Freundinaus Kaltenberg, die vor Jahren mit einem Goldschmied nach Brixen davongelaufen war. In der letzten Zeit hatte Anna oft an Sibylle gedacht und sich schon vergeblich nach ihr erkundigt. Das Rad des Schicksals hätte Falconet jetzt gesagt. Manchmal war es wirklich unbegreiflich.
    Sibylle hatte sie ebenfalls erkannt, und sie umarmten sich. »Gut genährt bist du!«, rief die Freundin. »Und ich hatte mich schon ge fragt, wie du die schlechten Zeiten überstehst.«
    Anna wies auf Sibylles Bauch. »Und du bist schwanger! Du hast es also nicht bereut, weggegangen zu sein?«
    Sibylle warf den Kopf zurück. »Sehe ich so aus? Adam und ich haben geheiratet, sobald er einen Meister gefunden hatte. Nach einem Jahr und einem Tag waren wir Stadtbürger. Der Meister ist kinderlos, mit etwas Glück erbt Adam einmal die Werkstatt. Nicht übel für einen fahrenden Handwerker!« Sie schob Anna ein Stück von sich weg, um sie betrachten zu können. »Du hast dich auch verändert, dieses rote Kleid, und die glänzenden Augen … Bist du mit Herrn Ulrich hier?«
    Anna stockte. Sibylle war noch vor der Plünderung aus Kalten berg weggegangen. Oft, wenn sie ihre Liebhaber sehen wollten, waren sie zusammen gegangen, damit niemand Verdacht schöpfte. In wenigen Worten erzählte Anna von der Plünderung und von dem, was geschehen war. Immer wieder unterbrach Sibylle sie, zu erst erschrocken, dann zunehmend neugierig.
    »Ulrich und er sind Todfeinde. Ich habe selbst nicht aufgehört, ihn zu hassen«, sagte Anna endlich nachdenklich. »Am Anfang habe ich ihn für grausam und gewissenlos gehalten. Aber wenn er mich ansieht, kann ich nicht glauben, dass er es ist, der Kalten berg niedergebrannt hat. Er verbirgt etwas hinter dieser schwar zen Rüstung, und es ist nicht nur sein wahrer Name.«
    »Das klingt, als würde es sich lohnen, das herauszufinden«, meinte Sibylle.
    Anna wollte nicht weiter über

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