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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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verboten wäre.«
    Freudenreich grinste, als wollte er darauf seinen Kopf nicht ver wetten. Aber er kannte das Lied! Annas Erwartung wurde lebhaf ter. Vielleicht konnte er ihr doch helfen?
    Er griff nach der verkorkten Flasche an seinem Gürtel und nahm einen tiefen Schluck. Wenn er so weiter machte, würde er in kürzester Zeit nicht einmal mehr seinen eigenen Namen wis sen. Als er sie noch einmal an den Mund setzen wollte, nahm Anna sie ihm weg.
    Verblüfft stierte er seiner Flasche nach. »Zum Teufel, bei den meisten Spielmannsliedern weiß niemand, wer sie gemacht hat!«, fuhr er sie an. »Manche sind mehr als hundert Jahre alt.«
    Anna ließ sich nicht beirren. Aber am liebsten hätte sie ihn ge packt und geschüttelt. Endlich hatte sie jemanden gefunden, der ihr helfen konnte, und nun ersäufte er seine Erinnerung in Strö men von Met!
    »Meine Flasche!«, befahl er.
    Sie trat einen Schritt zurück. »Wer hat das Lied gemacht?«
    Wehleidig sah er seinem Eigentum nach. »Ich muss ein paar Leute fragen. In ein paar Tagen kann ich dir mehr sagen.«
    »Wartet!« Er konnte nicht einfach so gehen, nicht jetzt! Sie hatte so lange darauf gehofft, dass sie einen Bürgen finden würde.
    Freudenreich packte seine Flasche und schüttelte Anna ab. Wi derwilligließ sie ihn los. Sie konnte nur hoffen, dass er sein Versprechen nicht in der nächsten Stunde mitsamt dem Met in die Latrine entleeren würde.

14
    »Ihr lasst mich gehen?« Überrascht versuchte Anna in Raouls Ge sicht zu lesen. Es sah ihm nicht ähnlich, ihr eine solche Angelegen heit im Vorbeireiten mitzuteilen.
    Sie hatten sich auf der Straße nach Brixen getroffen. Anna war mit Sibylle beim Kramer gewesen. Die Beutel an ihren Gürteln waren um einige Münzen erleichtert. Dafür trugen sie in Wolltuch eingeschlagene Päckchen mit Lippenfarbe aus Rotholz. Raoul be wegte wie jeden Morgen seinen Rappen, vielleicht hatte er sie auch abgepasst. Er ließ das Pferd tänzeln, um eine alte Frau mit einer Trage Brennholz vorbeizulassen.
    »Ich habe alles geregelt«, erwiderte er knapp. Seit der Graf von Tirol hier war, hatte er nur das Nötigste mit Anna gesprochen. Es war, als hätte er eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen aufge richtet, und oft hatte sie das Gefühl, das Schweigen nicht mehr zu ertragen. Die scharfen Falten lagen wieder um seine Nase, wie im mer, wenn er angespannt war. Er sah an ihr vorbei nach den Ber gen, und das Morgenlicht übergoss sein scharfes Profil mit seinem weichen grauen Licht. »Es gibt keinen Grund, dich länger festzu halten. Nach Lichtmess kannst du deiner Wege gehen, wie die an deren Mägde.«
    Sie wollte die Hand auf den Hals des Pferdes legen. Doch ohne einen Blick wendete er den Rappen. Sein Mantel streifte sie, das kupferbeschlagene Geschirr glänzte auf, dann verschwand die schlanke dunkle Gestalt im Nebel.
    »Sagtest du nicht, es macht dich verrückt, dass er dich seinen Stand nie spüren lässt?«, fragte Sibylle.
    Anna sah ihm nach und dann die Freundin an. Sie hätte erleich tertsein sollen. Wochenlang hatte sie sich gewünscht, er würde sie wieder so behandeln: wie ein Ritter eine fahrende Gauklerin, wie ein Feind, den sie hassen konnte. Aber ohne dass sie es wollte, zog sich etwas in ihr zusammen.
    Mit jedem Tag, den sie nichts von Freudenreich hörte, wurde Anna unruhiger. Aber umso mehr reifte auch ihr Entschluss: Wenn sie nichts hörte, bis Raoul sie freigab, würde sie eben ohne einen Bürgen nach Kaltenberg zurückgehen. Sie wusste, wie ge fährlich es war. Aber lieber wäre sie gestorben, als sich ihr Leben lang zu verstecken.
    Zu Lichtmess hatte sie noch immer nichts gehört. Es war pas send, dass dieser Tag auf den Zweiten des Hungermonats Februar fiel – wenn die Wintervorräte aufgezehrt waren und sich die Haus halte ihrer überzähligen Esser entledigten. Zum Fest kam wieder eine Gruppe Pilger an, und wie alle andern lief Anna in den Hof zur Michaelskapelle. Verstohlen hielt sie in der Menge nach Raoul Ausschau, aber er war nirgends zu sehen.
    Auf dem Platz roch es nach frisch gebackenem Brot. Fideln zirpten, und Flöten gingen im Geschrei fast unter. Der fahrende Prediger wäre auch als Gaukler durchgegangen, dachte Anna: Er hatte sich unter dem hölzernen Engel am Eingang der Kapelle auf gebaut. Während er unten eher klein und dick war, bot der Engel in seiner kriegerischen Tunika, mit nackten, von Lederbändern umwickelten Unterschenkeln sicher den schneidigeren Anblick.
    »Das Jüngste Gericht naht

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