Die Gauklerin von Kaltenberg
geführten Hieben brachte er ihn zusehends in Bedrängnis. Plötzlich fegte er ihn mit einem kräftigen Schlag aus dem Sattel.
Ein Aufschrei ging durch die Menge, er fühlte alle Augen auf sich gerichtet. Eine Flöte hatte einen schrillen Misston von sich gegeben. Der schwarze Helm musste bei einem Stich nach dem Hals einen Riemen eingebüßt haben, er saß nicht mehr fest. Wü tend riss sich sein Träger den nutzlosen Schutz vom Kopf. Ulrichs blondes Haar kam darunter zum Vorschein.
Der Wind zerrte an der rotgoldenen Satteldecke seines Geg ners und ließ das Pferd größer erscheinen. Die Zuschauer raunten und flüsterten. Erst jetzt begriffen sie, wem die Farben Rot und Gold gehörten, die Ulrichs Gegner trug. König Ludwig musste es gewusst haben – nur ein König konnte den illegitimen Spross der Haldenberger anerkennen und ihm gestatten, das Wappen seiner Familie zu führen.
Der Ritter in Rotgold war vom Pferd gesprungen. Langsam nahm auch er den Helm ab, und darunter warf Raoul die durch nässten schwarzen Locken zurück.
Überrascht und erleichtert lachten die Leute. Insgeheim hatte der unbekannte Fremde längst ihre Sympathie gehabt, aber nun, da sie sein Gesicht kannten, zeigten sie es offen. Raoul war zu er schöpft, um zu begreifen, dass er es war, dem sie zujubelten. Mit wutverzerrtem Gesicht kam Ulrich auf die Beine und griff von neuem an.
Er nahm die Klinge auf, ließ den Griff seines Schwerts nach oben schnellen und konterte mit einem schnellen Sturzhau. Sein Hass war jetzt völlig verschwunden, er spürte nur noch die gna denlose Entschlossenheit zu gewinnen. Unerbittlich trieb er sei nen Gegner vor sich her auf den Rand des Kampfplatzes zu. Plötz lich fuhr der Rohrbacher herum. Ehe Raoul begriff, hatte Ulrich einem nichtsahnenden Herold die Fackel aus der Hand gerissen und stieß das glühende Ende nach ihm.
Raoulwich vor dem gelben Flammenbündel zurück. Wütende Rufe kommentierten den Bruch der Regeln. Der Turniervogt ge bot Einhalt, aber keiner der beiden Kämpfer hörte auf ihn. Der Grieswärtel versuchte die Kämpfenden mit seiner Stange zu tren nen, doch Ulrich stieß die Fackel auch in seine Richtung. Raoul riss nun seinerseits eine Fackel aus ihrer Halterung unterm Dach der Tribüne.
Völlig durchnässt und mit triefendem Haar nahmen die beiden Männer nichts mehr um sich herum wahr. Ihre Waffenröcke wa ren regendunkel und klebten zerfetzt an den Körpern. Beide blu teten aus kleineren Wunden. Schweiß und Wasser rannen über ihre Gesichter, sammelten sich auf Lippen und Bart und tropften auf die Brust.
Plötzlich warf Ulrich die Fackel nach Raoul. Dieser duckte sich darunter hinweg, tauchte unter Ulrichs Klinge und stieß zu.
Kettenhemd und Harnisch fingen die stumpfe Waffe ab, den noch genügte es, um Ulrich den Atem zu rauben. Aufspritzend landeten die Fackeln im nassen Schlamm und verlöschten. Raoul trat seinem Rivalen die Beine weg. Ulrich stolperte, stürzte, und Raoul stand über ihm.
Aufgeregt drängten sich die Leute an den Kampfplatz. Der Kö nig war aufgesprungen. Selbst Jutha war bleich geworden. Toten stille breitete sich aus.
Der Wind zerrte an Raouls rotgoldenem Waffenhemd, überall auf dem Stoff waren kleinere Blutspritzer. Nur der silberne Gürtel beschlag glänzte bleich. Auf einmal trat er zurück und wandte sich an den König. »Es ist genug Blut zwischen unseren Familien ge flossen«, keuchte er. In der plötzlichen Stille war seine Stimme dennoch klar vernehmbar. Mit dem Ärmel wischte er sich das trie fende Haar aus dem Gesicht. Langsam ging er auf den König zu. »Sprecht Ihr mir den Sieg zu?«
Ein erleichtertes Raunen ging durch die Menge, als Ludwig von Baiern den Sieger zu sich befahl. Die endgültige Entscheidung oblagden Damen, aber er schien keinen Zweifel zu haben, wie sie ausfallen würde.
Raoul bemerkte den rötlich flackernden Schein über den Bäu men, wo die Burg lag. Aber er war zu erschöpft, um gleich zu be greifen. Ein Knecht, der von der Burg herabgerannt kam, brach den Bann. Wild immer wieder etwas rufend, bahnte er sich den Weg durch die Menge.
»Feuer!«, verstand Raoul endlich, was er brüllte. »Die Burg brennt!«
19
Wie ein gefangenes Tier lief Anna im Rittersaal auf und ab. Sie kannte Ulrich gut genug, um zu wissen, dass er seine Drohung wahr machen würde. Ihr Blick fiel auf das Bärenfell, das noch im mer den Boden bedeckte. Ein Dutzend Mal hatten sie sich hier ge liebt. Traurig fragte sie sich, was ihn so hart gemacht
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