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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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Trotzig warf Anna den Kopf in den Nacken, dass Blätter und Erde aus ihren Locken fie len. Sie hatte sich selbst darüber gewundert, auch wenn sie nicht viel von dem erfahren hatte, was Ulrich seinem Vater mitgeteilt hatte. Aber das würde sie Raoul niemals verraten, und wenn er den Teufel selbst zur Hilfe rief!
    Er kam auf sie zu und blieb hoch aufgerichtet vor ihr stehen, dass der Saum seiner Cotte sie fast berührte. »Ich kann es auch aus dir herausprügeln«, drohte er leise.
    Sie dachte an seine warmen Augen, als sie in seinem Arm auf gewacht war. Entschlossen hielt sie ihm stand. »Dann liegt Euch ja viel daran.«
    Einen Moment war sie nicht sicher, ob sie nicht zu weit gegan gen war. Seine Lippen waren schmal geworden.
    »Du bist leichtfertig«, sagte er endlich. »In deinem Hass wie in der Liebe. Hast du dir je Gedanken gemacht, was es bedeutet hätte, von Ulrich schwanger zu werden? Unehrlich geboren «, presste er zwischen den Zähnen hervor. Die dunklen Augen brannten. »DeineKinder dürften seinen Namen nicht tragen, weder sein Wappen noch seine Farben.«
    Auch er trug weder Wappen noch Farben einer edlen Familie. Anna starrte ihn ungläubig an. »Ihr seid …«
    »Ein Bastard«, vollendete er hart. »Ich dürfte mich nicht einmal Ritter nennen. Wenn jemand wüsste, wer ich wirklich bin, hätte ich weniger Rechte als du. Mein Vater hat mich verraten, ehe ich geboren wurde. Nur weil Ulrich im Ehebett gezeugt wurde, nennt er ihn seinen Sohn. Ist das gerecht? Ich will nur, was mir zusteht.«
    Ulrichs Bruder! Vergeblich suchte Anna in seinem Gesicht eine Ähnlichkeit. Sie erinnerte sich, wie die beiden Männer gekämpft hatten. Es war dieselbe wütende Entschlossenheit gewesen, mit der sie aufeinander losgegangen waren. Aber dann dachte sie an Ulrichs wilde Küsse auf ihrer Haut, und ein Schauer überlief sie. Nein, dachte sie. Unmöglich.
    »Ihr habt nichts mit Ulrich gemein!«, schrie sie ihn an und sprang auf. »Er hätte Kaltenberg niemals niedergebrannt!«
    »Ich habe mich an Friedrich gewandt, weil ich sicher war, dass er den Lechrain erobern würde«, erwiderte Raoul scharf. »Es ist mir gleich, welcher König es beherrscht, aber ich liebe das Land, auf dem mein Vater geboren wurde. Und ich liebe meinen Vater, obwohl er mir nichts gegeben hat – nicht einmal seinen Namen!«
    Das letzte Abendrot fiel durch die herbstlich bunten Blätter und warf einen goldenen Schimmer auf seine gebräunte Haut. Anna fiel der frisch verheilte Schnitt auf seinem Handrücken auf, den Ul rich ihm beigebracht hatte. Sie musste sich mühsam bewusst ma chen, dass Raoul bei allem, was er tat, eine Absicht verfolgte – und meistens keine gute.
    »Ich soll Euch helfen, Ulrich Kaltenberg zu nehmen?«, fragte sie scharf.
    Kalt erwiderte er: »Ich könnte ihm noch viel mehr nehmen.« Plötzlich kam er auf sie zu und küsste sie.
    Anna war so überrascht, dass sie sich nicht einmal wehrte. Sie spürteden schlanken kräftigen Körper ihres Feindes, die Lederhandschuhe auf ihren Armen, die Gürtelbeschläge. Der fremde Duft hing in seinem Haar, das auf ihr Gesicht fiel. Hart und fordernd presste sich sein Mund auf ihren, und wider Willen öffneten sich ihre Lippen. Anna erschrak über sich selbst und biss zu.
    Mit einem Schrei fuhr Raoul zurück und berührte seine blu tende Lippe.
    »Und wenn Ihr der Teufel selbst wärt, könntet Ihr mich nicht auf Eure Seite ziehen!«, zischte sie. Ihr Gesicht glühte. »Ich werde zu Ulrich zurückkehren.« Sie drehte sich um und lief den Pfad hin auf.
    Etwas zischte, dann steckte ein kurzer Bolzen in dem Baum di rekt neben ihr. Raoul ließ die Armbrust sinken. »Das glaube ich kaum«, erwiderte er ruhig.
    Anna war stehen geblieben und schnappte nach Luft. Schon damals war ihr die Waffe aufgefallen, die im Krieg als unehrenhaft galt. Siedend heiß wurde ihr klar, dass er sie schon bei ihrer ersten Begegnung mühelos von hinten hätte niederschießen können.
    Hufschlag näherte sich. Anna wollte aufatmen, doch Raoul war mit wenigen Schritten bei ihr. Mit geübten Bewegungen stemmte er die Armbrust auf den Boden, um sie neu zu spannen. Er machte eine Geste mit dem Kopf, und Maimun lief den Pfad hinauf. Anna wollte an ihm vorbei, doch er hielt sie mit dem linken Arm zurück. So dicht hinter ihm konnte sie jeden seiner Atemzüge spüren.
    Maimun kam zurück. »Es ist Heinrich von Wolfsberg!«
    Überrascht bemerkte sie, dass Raoul beim Namen des gefürch teten Raubritters die Waffe weglegte.
    Ein

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